Den Krieg in Libyen und Syrien verstehen

Was sind die wahren Ziele der USA?
An diesem Punkt unserer Überlegungen angelangt, können wir aufgrund  mehrerer Tatsachen die These vom humanitären Krieg oder einer impulsiven  Reaktion auf die Ereignisse als endgültig widerlegt betrachten. Wenn  Washington und Paris jegliche Verhandlungen entschlossen abgelehnt  haben, wenn sie bereits seit einiger Zeit am Aufbau der libyschen  Opposition „gearbeitet“, detaillierte Konzepte für eine Intervention  vorbereitet hatten und sich ihre Flugzeugträger bereits seit längerer  Zeit für eine Intervention bereit hielten (wie es US-Admiral Gary  Roughead, Chef der US-Seestreitkräfte bestätigt hat: „Unsere  Streitkräfte waren bereits gegen Libyen positioniert“, Washington, 23.  März), dann bedeutet das zwangsläufig: Dieser Krieg wurde nicht im  letzten Augenblick als Reaktion auf überraschend eingetretene Ereignisse  beschlossen. Er war im Gegenteil geplant. Mit ihm werden Ziele  verfolgt, die über die Person Gaddafis weit hinausgehen. Welche Ziele  sind das?
Die Ziele der USA gehen über das Öl weit hinaus
In diesem Krieg gegen Libyen verfolgen die USA gleichzeitig mehrere Ziele:
1. Kontrolle über das Erdöl. 2. Sicherheit für Israel. 3. Verhinderung  der Befreiung der arabischen Welt. 4. Verhinderung der afrikanischen  Einheit. 5. Installierung der NATO als Gendarm für Afrika.
Das  sind viele Ziele? Jawohl, wie bei den vorhergehenden Kriegen gegen den  Irak, Jugoslawien und Afghanistan. Ein Krieg dieser Art ist teuer und  mit großen Risiken für das Ansehen der USA verbunden, vor allem, wenn  sie ihn nicht gewinnen sollten. Wenn Obama einen solchen Krieg  angezettelt hat, dann weil er sich davon große Vorteile verspricht.
Ziel 1: Kontrolle über das gesamte Erdöl
Manche sagen, es handle sich dieses Mal nicht um einen Krieg um Erdöl.  Der Anteil des libyschen Erdöls an der Weltproduktion sei unbedeutend.  Zudem habe Gaddafi bereits Öl an die Europäer verkauft. Sie haben das  Wesen des „Weltkrieges um das Erdöl“ nicht verstanden. Mit der  Verschärfung der allgemeinen Krise des Kapitalismus wird die  Auseinandersetzung zwischen den Wirtschaftsmächten immer verbissener  geführt. Bei diesem Spiel geht es um hohe Einsätze: Um den eigenen  Multis einen Platz am Spieltisch zu sichern, muss jede Großmacht an  allen Fronten kämpfen: Märkte erobern, Regionen mit profitablen  Arbeitskräften unter ihre Kontrolle bringen, sich große öffentliche und  private Aufträge verschaffen, sich Handelsmonopole sichern, Staaten, die  ihr Vorteile bieten können, unter ihre Kontrolle bringen. Vor allem  aber muss sie sich die Kontrolle über die begehrten Rohstoffe sichern,  allen voran über das Erdöl.
Im Jahr 2000 haben wir in unserem  Buch „Monopoly“ die kommenden Kriege analysiert und geschrieben: „Wer  die Welt beherrschen will, muss die Kontrolle über das Erdöl gewinnen  und zwar über das gesamte Erdöl, wo immer es sich befindet.“ Wenn ihr  eine Großmacht seid, kann es euch nicht genügen, nur die eigene  Ölversorgung zu sichern. Ihr würdet mehr wollen, das Maximum. Nicht nur  wegen der enormen Gewinne, sondern weil ihr mit einem Monopol in der  Lage wäret, es euren stärksten Konkurrenten zu entziehen bzw. sie zu  zwingen, eure Konditionen zu akzeptieren.
Ihr würdet über die  stärkste Waffe verfügen. Erpressung? Jawohl! Seit 1945 haben die USA  alles getan, um sich das Monopol über das Öl zu verschaffen. Ein Rivale  wie Japan beispielsweise war für seine Energieversorgung zu 95 Prozent  von den USA abhängig. Damit war sein Gehorsam gesichert. Aber die  Kräfteverhältnisse ändern sich. Die Welt wird multipolar. Die USA sehen  sich heute mit einem erstarkenden China, einem wiedererstarkenden  Russland, dem Aufstieg Brasiliens und anderer Länder des Südens  konfrontiert. Es wird zunehmend schwieriger, das Monopol aufrecht zu  erhalten.
Das libysche Öl macht nur 1-2 Prozent der  Weltproduktion aus? Einverstanden, aber es ist von bester Qualität,  einfach zu gewinnen und folglich hoch rentabel. Zudem liegt das Land in  unmittelbarer Nähe von Italien, Frankreich und Deutschland. Öl aus dem  Vorderen Orient, Schwarzafrika oder Lateinamerika zu importieren, ist  mit viel höheren Kosten verbunden. Wir haben es also ganz offenkundig  mit einem Kampf um das schwarze Gold Libyens zu tun. Das gilt ganz  besonders für Frankreich. Dieses Land hatte am stärksten auf die  mittlerweile allzu riskant erscheinende Atomenergie gesetzt.
In  diesem Zusammenhang ist es nötig, an zwei Tatsachen zu erinnern: 1.  Gaddafi wollte den Anteil des libyschen Staates am Öl von 30 auf 51  Prozent erhöhen. 2. Am 2. März hatte Gaddafi darüber geklagt, dass die  Ölproduktion seines Landes auf sein niedrigstes Niveau gefallen sei. Er  hatte angedroht, die westlichen Firmen, die Libyen verlassen hatten,  durch chinesische, russische und indische Gesellschaften zu ersetzen.  Ist es ein Zufall? Immer dann, wenn ein afrikanisches Land anfängt, sich  China zuzuwenden, bekommt es Probleme.
Noch ein weiterer  Hinweis: Ali Zeidan ist der Mann, der die Zahl von den 6.000 toten  Zivilisten lanciert hat, die Opfer der Bombardierungen Gaddafis geworden  seien. Er ist gleichzeitig der Sprecher der Übergangsregierung, also  der oppositionellen Regierung, die von Frankreich anerkannt wurde. In  dieser Funktion hat Ali Zeidan erklärt, „die unterzeichneten Verträge  werden eingehalten“. Die zukünftige Regierung, „werde jedoch die  Nationen berücksichtigen, die uns geholfen haben.“ Wir haben es also  ganz offensichtlich mit einem weiteren Krieg um das Erdöl zu tun.  Allerdings wird er nicht nur gegen Libyen geführt.
Woher kommt die Rivalität zwischen USA, Frankreich und Deutschland?
Wenn der Krieg gegen Libyen nur humanitären Charakter hätte, wären die  Auseinandersetzungen zwischen den kriegführenden Staaten nicht  nachzuvollziehen. Warum hat sich Sarkozy beeilt, als erster mit den  Bombardements zu beginnen? Warum war er so verärgert, als die NATO die  Führung der Kriegsoperationen übernehmen wollte? Sein Argument, „die  NATO sei in den arabischen Ländern nicht populär“, kann man nicht ernst  nehmen. Als ob er, Sarkozy, der Israel und Ben Ali unterstützt hat, so  populär wäre! Warum waren Deutschland und Italien so zurückhaltend bei  diesem Krieg? Warum hatte der italienische Minister Frattini zunächst  erklärt, man müsse „die Souveränität und Integrität Libyens verteidigen“  und „Europa dürfe nicht die Demokratie nach Libyen exportieren“?(1)
Nur unterschiedliche Ansichten, wie humanitäre Unterstützung effektiv  gestaltet werden kann? Nein, auch hier werden ökonomische Interessen  deutlich. Europa steckt in einer Krise. Die Rivalitäten werden zunehmend  stärker. Noch vor einigen Monaten drängelte man sich nach Tripolis, um  Gaddafi zu umarmen und große Verträge mit Libyen abzuschließen.  Diejenigen, die dabei erfolgreich waren, hatten kein Interesse, die  Verträge wieder in Frage zu stellen. Ganz im Gegensatz zu denen, die  leer ausgegangen waren! Wer war der Hauptkunde für libysches Öl?  Italien. Wer stand an zweiter Stelle? Deutschland. Schauen wir uns die  Investitionen und Exporte der europäischen Mächte an.
Wer hatte  die meisten Verträge in Libyen erhalten? Italien. Wer stand an zweiter  Stelle? Deutschland. Das deutsche Unternehmen BASF war mit Investitionen  von zwei Milliarden Euro der wichtigste Ölproduzent in Libyen geworden.  Die deutsche Firma DEA, Tochter des Energiegiganten RWE, hatte mehr als  40.000 Quadratkilometer Erdöl- und Erdgaslagerstätten erhalten. Das  deutsche Unternehmen Siemens hatte den Löwenanteil an den gewaltigen  Investitionen für das gigantische Projekt „Great Man Made River“  bekommen: Es handelt sich dabei um das größte Bewässerungsprojekt der  Welt, ein Netz von Pipelines, mit denen Wasser aus den wassertragenden  Schichten Nubiens bis an die Saharawüste herangeführt wird. Zu ihm  gehören über 1300 Brunnen, die oft mehr als 500 Metern tief sind. Nach  Beendigung aller Arbeiten werden sie Tripolis, Bengazi, Syrte und andere  Städte täglich mit mehr als 6,5 Millionen Kubikmeter Wasser  beliefern.(2) 25 Milliarden Dollar haben Gierige angelockt. Zudem hatte  Libyen mit seinen Öl-Milliarden ein äußerst ehrgeiziges Programm  eingeleitet, um seine Infrastruktur zu erneuern, Schulen und  Krankenhäuser zu bauen und das Land zu industrialisieren.
Dank  seiner wirtschaftlichen Stärke hat sich Deutschland in Libyen, Saudi  Arabien und den arabischen Golfstaaten eine Position privilegierter  wirtschaftliche Zusammenarbeit sichern können. Keineswegs möchte es sein  Ansehen in der arabischen Welt beschädigen. Was Italien betrifft, muss  an die ungeheure Brutalität erinnert werden, mit der es Libyen einst  kolonisiert hatte. Dabei stützte es sich auf die Stämme im Westen gegen  die Stämme im Osten. Heute haben die italienischen Unternehmen dank  Berlusconi einige schöne Verträge erhalten. Sie haben folglich viel zu  verlieren.
Im Gegensatz zu ihnen, haben Frankreich und England  nicht die besten Stücke vom Kuchen abbekommen. Sie sind vorne dabei, um  eine Neuverteilung des Kuchens zu erreichen. Der Krieg in Libyen ist nur  die Fortführung der ökonomischen Auseinandersetzung mit anderen  Mitteln. Die kapitalistische Welt ist nicht wirklich schön. Der  wirtschaftliche Kampf verlagert sich auf die militärische Ebene. In  einem Europa, das in einer Krise steckt und von einem (vor allem dank  seiner Politik der niedrigen Löhne) sehr leistungsstarken Deutschland  dominiert wird, hat Frankreich sein Bündnis gebrochen. Es wendet sich  jetzt Großbritannien zu, um ein verändertes Gleichgewicht zu erreichen.  Paris und London haben mehr militärische Mittel als Berlin. Sie  versuchen diese Karte auszuspielen, um ihre wirtschaftliche Schwäche  auszugleichen.
Ziel 2: Israel sichern
Im Nahen Osten  hängt alles miteinander zusammen. Noam Chomsky hat uns in einem Gespräch  erklärt:(3) „Seit 1967 hat die US-Regierung Israel als eine  strategische Investition betrachtet. Es war ein örtliches  Polizeikommissariat und hatte die Aufgabe, die Diktaturen in den  ölproduzierenden arabischen Ländern zu schützen.“ Israel ist der  Polizist für den Mittleren Osten. Das neue Problem für Washington  besteht darin, dass Israel wegen seiner zahlreichen Verbrechen (Angriffe  auf Libanon, Gaza, Flotte mit humanitärer Hilfe) zunehmend isoliert  ist. Die arabischen Völker fordern das Ende dieses Kolonialismus.  Folglich braucht der Polizist Schutz. Israel kann nur solange überleben,  wie es von arabischen Diktaturen umgeben ist, die den Wunsch ihrer  Völker nach Solidarität mit den Palästinensern missachten. Das ist ein  Grund, warum Washington Mubarak und Ben Ali unterstützt hat und die  anderen Diktatoren weiter unterstützen wird. Die USA befürchten, in den  kommenden Jahren Tunesien und Ägypten zu verlieren“. Dadurch würden sich  die Kräfteverhältnisse in der Region verändern.
Nach dem Krieg  gegen den Irak 2003, der auch als Warnung und zur Einschüchterung der  anderen arabischen Führer dienen sollte, hatte Gaddafi die drohende  Gefahr erkannt. Er hatte deshalb seine Zugeständnisse gegenüber den  Westmächten und ihren neoliberalen Forderungen vergrößert. Dabei ging er  manchmal zu weit. Das hat seinen sozialen Rückhalt geschwächt. Man kann  Forderungen des IMF(4) nicht nachgeben, ohne seiner eigenen Bevölkerung  Schaden zuzufügen. Aber sollten sich morgen Tunesien und Ägypten nach  links wenden, wird Gaddafi zweifellos in der Lage sein, diese  Zugeständnisse zurückzunehmen. Eine Achse des Widerstands aus Kairo,  Tripolis und Tunis, die sich den USA nicht fügt und entschlossen ist,  Israel zum Nachgeben zu zwingen, wäre ein Alptraum für Washington. Der  Sturz Gaddafis soll dies noch rechtzeitig verhindern.
Ziel 3: Die Befreiung der arabischen Welt verhindern
Wer regiert heute über die gesamte arabische Welt, seine Wirtschaft,  seine Ressourcen, sein Öl? Das sind bekanntlich nicht die arabischen  Völker und auch nicht die örtlichen Diktatoren. Sie stehen vorne auf der  Bühne. Die eigentlichen Machthaber aber sitzen hinter den Kulissen. Es  sind dies die USA und die europäischen Multis. Sie bestimmen, was in  diesen Ländern produziert oder nicht produziert wird, welche Löhne  gezahlt werden, wem die Gewinne aus dem Öl zufließen und welche  politischen Führer in diesen Ländern eingesetzt werden. Es sind die  Multis, die ihre Aktionäre auf dem Rücken der arabischen Bevölkerung  reich werden lassen.
Für die ganze arabische Welt haben die  aufgezwungenen Diktaturen schwerwiegende Konsequenzen: das Öl und die  anderen natürlichen Ressourcen dienen nur dem Profit der Multis. Sie  werden nicht dazu verwandt, die dortige Wirtschaft zu diversifizieren  und Arbeitsplätze zu schaffen. Zudem erzwingen die Multis im Tourismus,  bei den Betrieben der kleinen Industrie und dem Dienstleistungssektor,  die ihnen als Subunternehmen dienen, niedrige Löhne.
Als Folge  bleiben diese Volkswirtschaften abhängig, weisen verzerrte Strukturen  auf und sind nicht ausgerichtet auf die Bedürfnisse der Bevölkerung. In  den kommenden Jahren wird sich die Arbeitslosigkeit noch verschärfen,  sind doch 35 Prozent der Araber jünger als 35 Jahre. Die Diktatoren sind  Handlanger der Multis. Ihre Aufgabe ist es, deren Profite zu sichern  und Widerstand zu brechen. Sie haben soziale Gerechtigkeit zu  verhindern.
Die 300 Millionen Araber sind auf 20 Länder  aufgeteilt. Zu Recht betrachten sie sich als eine Nation. Sie stehen vor  einer entscheidenden Wahl: die Aufrechterhaltung des Kolonialismus zu  akzeptieren oder unabhängig zu werden. Dazu müssen sie einen neuen Weg  einschlagen. Die ganze Welt um sie ist im Umbruch: China, Brasilien und  andere Länder emanzipieren sich politisch. Das ermöglicht ihnen  wirtschaftlichen Fortschritt. Wird die arabische Welt zurückbleiben?  Wird sie eine Dependance der USA und Europa bleiben? Werden sie die  arabische Welt weiter als Waffe für sich in den großen internationalen  politischen und wirtschaftlichen Auseinandersetzungen gegen die anderen  Nationen einsetzen können? Oder wird endlich die Stunde der Befreiung  für die arabische Welt schlagen? Diese Vorstellung versetzt die  Strategen in Washington in Schrecken. Wenn ihnen die arabische Welt und  ihr Öl aus der Hand entgleiten, ist es zu Ende mit ihrer Herrschaft über  den Planeten.
Die USA sind eine Macht, die sich in  wirtschaftlicher und politischer Hinsicht im Abstieg befindet. Bereits  jetzt wird ihre Vorherrschaft zunehmend von Deutschland, Russland,  Lateinamerika und China in Frage gestellt. Dazu kommt, dass viele  Staaten im Süden ihre Beziehungen untereinander intensivieren möchten.  Für sie sind diese Beziehungen viel vorteilhafter als die Abhängigkeit  von den USA. Die USA haben es zunehmend schwerer, ihre Position als  größte Weltmacht aufrecht zu erhalten. Diese Position ermöglicht es  ihnen, ganze Nationen auszuplündern und den Krieg überall dort  hinzutragen, wo sie es möchten.
Wiederholen wir es: wenn sich  morgen die Arabische Welt vereint und befreit, wenn die USA das Öl als  Waffe verlieren, werden sie in einer multipolaren Welt nur noch eine  zweitrangige Macht sein. Für die Menschheit wird dies ein großer  Fortschritt sein: die internationalen Beziehungen werden neue Wege  gehen. Die Völker im Süden werden endlich selbst über ihr Schicksal  entscheiden können und mit der Armut Schluss machen.
Für wen die Demokratie gefährlich ist
Die Kolonial- und Neokolonialmächte von gestern schwören uns, dass sie  sich geändert haben. Nachdem sie Ben Ali, Mubarak und Co. finanziert,  bewaffnet, beraten und beschützt haben, überschütten uns jetzt USA,  Frankreich und die anderen mit Erklärungen, die auf uns Eindruck machen  sollen. So beispielsweise Hillary Clinton: „Wir unterstützen das Streben  der arabischen Völker nach Demokratie.“ Das ist total verlogen. Die USA  und ihre Verbündeten wollen auf keinen Fall eine arabische Demokratie,  sie möchten auf keinen Fall, dass die Araber über ihr Öl und ihre andere  Reichtümer entscheiden können. Sie haben deshalb alles getan, um die  Demokratisierung zu bremsen und die Verantwortlichen des alten Regimes  an der Macht zu halten. Wenn das scheitert, tun sie alles, den  Bevölkerungen an deren Stelle neue Führer aufzuzwingen, die für sie den  Widerstand des Volkes aufzulösen haben. Die Machthaber in Ägypten  ergreifen gerade die brutalsten Maßnahmen gegen Streiks.
Den  Krieg gegen Libyen mit der Vorstellung erklären zu wollen, Washington  und Paris seien nach der Erfahrung mit Tunesien und Ägypten „zur  Einsicht gekommen“, wollten sich ein gutes Gewissen schaffen oder  zumindest ihr Image aufpolieren, ist nichts anderes als ein großer  Trugschluss. Tatsächlich ist die westliche Politik gegenüber der  arabischen Welt als ein Ganzes zu sehen. Sie wird mit drei Maßnahmen  umgesetzt: 1. Aufrechterhaltung der repressiven Diktaturen. 2. Mubarak  und Ben Ali werden von Figuren ersetzt, die man unter Kontrolle hat. 3.  Sturz der Regierungen in Tripolis, Damaskus und Teheran, um diese  „verloren gegangenen“ Länder wieder zu kolonisieren.
Die drei  Maßnahmen haben ein gemeinsames Ziel: die arabische Welt unter der  eigenen Herrschaft zu halten, um sie weiter ausplündern zu können.  Demokratie ist gefährlich, wenn man nur die Interessen einer sehr  kleinen gesellschaftlichen Minderheit repräsentiert. Es macht den USA  Angst, dass die soziale Unzufriedenheit in fast allen arabischen  Diktaturen ausgebrochen ist:
Im Irak (unsere Medien haben  darüber nichts berichtet) haben zahlreiche Streiks die Öl- und  Textilindustrie, die Energieversorgung und anderen Sektoren erfasst. In  Kut haben die US-Truppen eine Textilfabrik, die sich im Streik befand,  umzingelt. In 16 der 18 Provinzen wurde unter Beteiligung aller  Volksgruppen gegen die korrupte Regierung demonstriert, die das Volk in  seinem Elend im Stich lässt.
In Bahrain war der König unter dem  Druck der Straße gezwungen, jeder Familie eine Sonderzahlung von 2.650  Dollar zu versprechen. In Oman hat der Sultan Qaboos bin Said die Hälfte  seiner Regierung ausgewechselt, das Mindestgehalt um 40 Prozent erhöht  und Anweisung gegeben, 50.000 Arbeitsplätze zu schaffen. Selbst König  Fahd von Saudi Arabien musste 36 Milliarden Dollar frei machen, um damit  Familien mit mittleren und niedrigen Einkommen zu helfen!
Bei  allen einfachen Menschen warf dies unvermeidlich die Frage auf: wenn sie  alles dieses Geld hatten, warum haben sie es in ihren Tresoren  verschlossen gehalten? Die nächste Frage lautete: Wie viele weitere  Milliarden haben sie mit Unterstützung der USA ihren Völkern geraubt?  Und die letzte Frage heißt: Wie kann dieser Raub beendet werden?
„Revolution Facebook“ – großes Komplott der USA oder wirkliche Revolution?
Über das Internet hat sich eine falsche Vorstellung verbreitet: die  arabischen Revolutionen seien von den USA in Gang gesetzt und gesteuert  gewesen. Die USA hätten die Fäden gezogen, um gut kontrollierte  Veränderungen zu bewerkstelligen und Libyen, Syrien und den Iran  angreifen zu können. Alles sei „fabriziert“ gewesen.
Das  Argument für diese These: mehr oder weniger offizielle Organe hätten  arabische Internetaktivisten in die USA eingeladen und ausgebildet.  Diese hätten bei der Verbreitung von Informationen eine entscheidende  Rolle gespielt. Sie würden eine neue Form der Revolution symbolisieren,  die „Revolution Facebook“. Diese Vorstellung von einem großen Komplott  lässt sich nicht aufrechterhalten.
In Wirklichkeit haben die  USA alles getan, um Mubarak, der für sie ein nützlicher Diktator war,  möglichst lang an der Macht zu halten. Die USA taten dies obwohl sie  wussten, dass er gesundheitlich geschwächt und „erledigt war“. In einer  solchen Situation bereiten sie selbstverständlich einen Plan B und einen  Plan C vor. Der Plan B sah vor, Mubarak durch einen seiner Mitarbeiter  zu ersetzen. Angesichts der aufgestauten Wut des ägyptischen Volkes  hatte der Plan wenig Aussicht auf Erfolg. Folglich hatten sie auch einen  Plan C, d.h. mehrere Pläne C.
So praktizieren sie es übrigens  in fast allen Ländern, die sie unter Kontrolle halten möchten. Worin  besteht dieser Plan? Sie kaufen sich im Voraus einige Oppositionelle und  Intellektuelle. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese sich darüber im  Klaren sind und „investieren“ in deren Zukunft. Wenn der Zeitpunkt  gekommen ist, rücken sie diese Leute auf der Bühne in den Vordergrund.  Wie lange das in einer Situation funktioniert, in der die Bevölkerung  wach geworden ist, und das Regime trotz neuer Fassade ihre Forderungen  nicht einlösen kann, ist eine andere Frage.
Schließlich ist es  seine Aufgabe, die Ausbeutung der Menschen aufrechtzuerhalten. Von einer  „Facebook“-Revolution zu sprechen, ist jedoch ein Mythos, der den  Interessen der USA dient. So sehr wir seit langer Zeit auf die  entscheidende Bedeutung der neuen Formen der Information und  Mobilisierung über das Internet hingewiesen haben, ist es doch eine  absurde Vorstellung, Facebook würde die sozialen Kämpfe und Revolutionen  ersetzen. Diese Vorstellung kommt den Großkapitalisten (deren  Repräsentant Mubarak war) gelegen. Was sie vor allem fürchten, ist der  Widerstand der Arbeiter, weil durch ihn die Quelle ihrer Profite  unmittelbar bedroht wird.
Die Rolle der Arbeiter
Facebook ist ein Instrument in der Auseinandersetzung, es ist aber nicht  die Grundlage der Revolution. Obige Darstellung zielt darauf ab, die  Rolle der Arbeiterklasse (im weitesten Sinn) zu verdecken, die angeblich  durch das Internet ersetzt werde. In Wirklichkeit ist die Revolution  ein Kampf, bei dem die unten denen oben die Macht nehmen. Sie ist mit  tiefgehenden Veränderungen verbunden, nicht nur in der politischen  Führungsschicht, sondern vor allem in den gesellschaftlichen  Beziehungen, die heute die Ausbeutung ermöglichen. Hört man auf unsere  großen offiziellen Ideologen, dann dürften wir schon seit längerer Zeit  den Begriff „Klassenkampf“ nicht mehr benutzen. Er wäre überholt, ja  peinlich. Pech für sie, dass sich der zweitreichste Mann der Welt, der  Bankier Warren Buffet, bereits vor einiger Zeit an diese Vorgabe nicht  gehalten hat. Er erklärte: „Einverstanden. Es gibt Klassenkampf in  Amerika. Aber meine Klasse führt ihn, die Klasse der Reichen, und wir  gewinnen ihn...“(5) Mister Buffet, man sollte nie so sicher vor dem Ende  des Spiels sein! Gut lacht, wer zuletzt lacht.
Die  Entwicklungen in Tunesien und Ägypten bestätigen in Übereinstimmung mit  Mister Buffet die Realität des Klassenkampfes. Wann hat Ben Ali seine  Koffer gepackt? Am 14. Januar, als sich die tunesischen Arbeiter im  Generalstreik befanden. Wann hat Mubarak seinen Thron verlassen? Als ein  mächtiger Streik der ägyptischen Arbeiter die Textilindustrie, das  Postwesen und selbst die offiziellen Medien zum Stillstand brachte.
Joel Beinin, Professor an der Universität von Stanford und früherer  Direktor an der amerikanischen Universität in Kairo erklärte dazu: „In  diesen letzten zehn Jahren hat es eine enorme Welle sozialer Proteste  gegeben. Mehr als 2 Millionen Arbeiter haben an über 3000 Streiks,  Sit-ins und anderen Protestformen teilgenommen. Das war der Hintergrund  der revolutionären Erhebung der letzten Wochen. In den letzten Tagen  jedoch konnte man Zehntausende Arbeiter sehen, die ihre ökonomischen  Forderungen mit der Forderung nach Abschaffung des Mubarak-Regimes  verbunden hatten.“(6)
Die arabische Revolution hat erst  begonnen. Nach den ersten Erfolgen des Volkes versucht die herrschende  Klasse, die nach wie vor an der Macht ist, es mit einigen kleinen  Zugeständnissen zu beruhigen. Obama wollte, dass sich die Straßen  möglichst schnell beruhigen und alles wie zuvor bleibt. Das kann für  einige Zeit funktionieren, aber die arabische Revolution ist auf dem  Marsch. Sie kann Jahre brauchen, aber es wird schwierig sein, sie zu  stoppen.
Ziel 4: Die afrikanische Einheit verhindern
Afrika ist der reichste Kontinent der Erde mit gewaltigen natürlichen  Ressourcen. Gleichzeitig ist Afrika auch der ärmste Kontinent. 57  Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, das heißt, von  weniger als 1,25 Dollar pro Tag.
Wie erklärt sich dieser  Widerspruch? Der Grund ist, die Multis bezahlen diese Rohstoffe nicht.  Sie stehlen sie. Sie plündern die Ressourcen Afrikas, erzwingen niedrige  Löhne, Handelsabkommen, die für Afrika mit Nachteilen verbunden sind,  Privatisierungen, die Afrika schädigen. Sie üben jede Form von Druck und  Erpressung auf die schwachen Staaten aus, erwürgen sie mit einer  Schuldenlast, für die es keine Rechtfertigung gibt, installieren  willfährige Diktatoren, provozieren Bürgerkriege in den Regionen, die  sie am meisten begehren.
Afrika hat für die Multis eine  strategische Bedeutung. Ihr Reichtum basiert auf der Plünderung dieser  Ressourcen. Würden angemessene Preise für Gold, Kupfer, Platin, Coltan,  Phosphat, Diamanten und die landwirtschaftlichen Produkte bezahlt, wären  die Multis viel weniger reich und die lokale Bevölkerung könnte ihre  Armut überwinden. Für die Multis in den USA und Europa ist es deshalb  entscheidend, zu verhindern, dass sich Afrika vereint und emanzipiert.  Afrika soll abhängig bleiben.
Ein Beispiel hat der afrikanische Autor Jean Paul Pougala schön dargelegt:
„Es begann 1992, als 45 afrikanische Staaten die RASCOM (Regional  African Satellite Communication Organization) gründeten. Afrika sollte  seinen eigenen Satelliten bekommen und dadurch die Kommunikationskosten  auf dem Kontinent deutlich gesenkt werden. Damals waren Telefonate nach  oder aus Afrika die teuersten auf der Welt. Das lag an den jährlichen  Gebühren von 500 Millionen Dollar, die Europa für die Nutzung seiner  Satelliten wie Intelsat selbst für Inlandsgespräche verlangte. Ein  eigener afrikanischer Satellit hätte nur 400 Millionen Dollar gekostet  und dem Kontinent die jährlichen Gebühren von 500 Millionen erspart.  Welcher Banker würde ein solches Projekt nicht finanzieren? Aber das  größte Problem war: Wie soll sich ein Sklave von der Ausbeutung durch  seinen Herrn befreien können, wenn er dazu eben diesen Herrn um  Unterstützung bitten muss?
In der Tat hielten Weltbank,  Internationale Währungsfonds, die USA und Europa die Afrikaner über 14  Jahre hinweg mit vagen Versprechungen hin. Gaddafi hat 2006 dieses  sinnlose Betteln bei den westlichen »Wohltätern« mit ihren exorbitanten  Zinssätzen beendet. Der libysche Staatsführer legte 300 Millionen Dollar  auf den Tisch. Die Afrikanische Entwicklungsbank steuerte weitere 50  Millionen bei. Die Westafrikanische Entwicklungsbank beteiligte sich mit  27 Millionen. So bekam Afrika am 26. Dezember 2007 seinen ersten  Kommunikationssatelliten. Anschließend stellten China und Russland ihre  Technologie zur Verfügung und halfen beim Start von Satelliten für  Südafrika, Nigeria, Angola, Algerien. Ein zweiter Satellit für ganz  Afrika wurde im Juli 2010 ins All geschossen. Der erste Satellit, dessen  Technologie zu 100 Prozent aus Afrika kommt und in Afrika, vor allem in  Algerien, hergestellt wird, ist für 2020 geplant. Man erwartet, dass  dieser Satelliten mit den Besten in der Welt konkurrieren kann und nur  ein Zehntel kostet.
Eine echte Herausforderung!
Eine  symbolische Geste von lediglich 300 Millionen Dollar hat so das Leben  für einen ganzen Kontinent verändert. Durch Gaddafis Libyen hat der  Westen nicht nur die 500 Millionen Dollar pro Jahr verloren, sondern  auch die Milliarden an Schulden und Zinszahlungen, die für den  ursprünglichen Kredit in alle Ewigkeit in exponentieller Weise zu zahlen  gewesen wären. Sie hätten dazu beigetragen, das verdeckte System der  Ausbeutung des Kontinents aufrecht zu erhalten.
Es war das  Libyen Gaddafis, das ganz Afrika seine erste wirkliche Revolution in der  modernen Zeit ermöglichte: die Erschließung des ganzen Kontinents für  Telefon, Fernsehen, Radio und viele andere Anwendungsbereiche, wie  Telemedizin und Fernstudium. Zum ersten Mal gibt es dank des  WiMax-Systems(7) kostengünstige Internetverbindungen über den ganzen  Kontinent bis in die ländlichen Zonen.“(8)
Das ist eine  Information, die man uns über den bösen Gaddafi nicht erzählt hat! Dass  er den Afrikaner half, sich von der erstickenden Bevormundung durch den  Westen zu befreien. Gibt es noch andere Informationen dieser Art, die  man verschwiegen hat?
Gaddafi hat den IWF herausgefordert und Obama macht auf Taschendieb
Jawohl! Gaddafi hat die Entwicklung des „Afrikanischen Währungsfonds“  (AWF) unterstützt. Er hat somit das Verbrechen begangen, den  „Internationalen Währungsfonds“ (IWF) herauszufordern. Es ist bekannt,  dass der IWF die Entwicklungsländer voll erpresst. USA und Europa  kontrollieren und Dominique Strauss-Kahn leitet ihn. Der IWF verleiht  nur Geld an Entwicklungsländer, wenn sie bereit sind, ihre Unternehmen  zum Profit der Multis zu verkaufen, Aufträge vergeben, die ihnen selbst  keinen Nutzen bringen und ihre Gesundheits- und Bildungsausgaben senken.  Kurz, den IWF als Bankier zu haben, bringt erheblichen Schaden.
Nun gut. Genauso wie die Südamerikaner ihre eigene Bank, die Banco del  Sur, gegründet haben, um den anmaßenden Erpressungen des IWF die Stirn  bieten zu können und selbst zu entscheiden, welche Projekte für sie  nützlich sind und sie finanzieren wollen, so würde der Afrikanische  Währungsfonds (AWF) den Afrikanern mehr Unabhängigkeit bringen. Wer aber  finanziert den AWF? Algerien hat 16 Milliarden beigesteuert, Libyen 10  Milliarden, zusammen sind das 62 Prozent seines Kapitals.
Unter  größtem Stillschweigen der Medien hat Obama dem libyschen Volk einfach  30 Milliarden gestohlen. Wie ist das abgelaufen? Am 1. März (also vor  der UN-Resolution), gab er dem US-Schatzministerium die Anweisung, die  Guthaben Libyens in den USA einzufrieren. Am 17. März hat man dafür  gesorgt, dass ein kleiner Satz in die Resolution 1973 aufgenommen wurde.  Er gibt die Ermächtigung, die Vermögen der libyschen Zentralbank und  zusätzlich der staatlichen libyschen Erdölgesellschaft einzufrieren.
Man weiß, dass Gaddafi ein Vermögen aus den Öleinkünften gebildet hat.  Diese Gelder haben es ihm ermöglicht, in große europäische  Gesellschaften und in bedeutende afrikanische Entwicklungsprojekte zu  investieren (vielleicht auch in bestimmte Wahlkämpfe in Europa, aber das  scheint keine wirksame Lebensversicherung zu sein). Kurz, Libyen ist  ein äußerst reiches Land (mit Währungsreserven in Höhe von 200  Milliarden Dollar).
Das hat die Begehrlichkeit einer  hochverschuldeten Macht geweckt, der USA. Um einige Dutzend Milliarden  Dollar der libyschen Nationalbank für sich abzuzweigen, kurz, sie dem  libyschem Volk zu stehlen, hat Obama diesem Geld einfach die Bezeichnung  „mögliche Quelle für die Finanzierung des Regime Gaddafi“ gegeben und  die Sache war erledigt. Ein waschechter Dieb.
Trotz aller  seiner Bemühungen, den Westen mit zahlreiche Zugeständnissen gegenüber  dem Neoliberalismus zu besänftigen, war Gaddafi für die Herrschenden in  den USA schon immer ein Grund zur Sorge. Ein Telegramm der US-Botschaft  in Tripolis vom November 2007 beklagt sich über diesen Widerstand: „Die  Leute, die über die politische und wirtschaftliche Orientierung Libyens  entscheiden, verfolgen im Energiesektor eine zunehmend nationalistische  Politik.“ Die generelle Verweigerung von Privatisierungen, berechtigt  dies zu Bombardierungen? Der Krieg ist ganz offensichtlich die  Fortführung wirtschaftlicher Auseinandersetzungen mit anderen Mitteln.
Ziel 5: Die NATO als Gendarm in Afrika installieren
Am Anfang sollte die NATO Europa vor der „sowjetischen militärischen  Bedrohung“ schützen“. Folglich hätte die NATO nach dem Ende der  Sowjetunion ebenfalls verschwinden müssen. Aber das Gegenteil trat ein.  Nach der Bombardierung in Bosnien 1995 erklärte Javier Solana,  Generalsekretär der NATO: „Die in Bosnien gewonnenen Erfahrungen werden  uns als Model für zukünftige Operationen dienen können.“
In  dieser Zeit hatte ich geschrieben: „Die NATO fordert klar gesagt,  überall tätig werden zu können. Jugoslawien war ein Experimentierfeld,  um die nächsten Kriege vorzubereiten. Wo werden diese stattfinden?“(9)  Folgende Antwort schlug ich vor: „Bereich 1: Osteuropa. Bereich 2:  Mittelmeer und Naher Osten. Bereich 3: Die dritte Welt generell.“ Heute  sind wir dort angelangt. Dieses Programm wird heute durchgeführt.  Bereits 1999 bombardierte die NATO Jugoslawien. Dieser Krieg hatte das  Ziel, das Land dem Neoliberalismus zu unterwerfen. So wie wir es  vorausgesehen hatten.
Als ich die Analysen von US-Strategen  studierte, unterstrich ich folgenden Satz von Stephen Blank. Er gehört  zu diesen Strategen: „Die Missionen der NATO werden immer mehr außerhalb  ihres eigenen Bereiches stattfinden. Ihre Hauptaufgabe wird es sein,  als Instrument für die Einvernahme von immer mehr Regionen in die  westliche Gemeinschaft zu dienen, in den Bereich ihrer Ökonomie,  Politik, Kultur und ihren Sicherheitsbereich.“(10) D.h., immer mehr  Regionen für den Westen zu unterwerfen! Damals schrieb ich: „Die NATO  ist eine Armee im Dienste der Globalisierung, eine Armee der  multinationalen Konzerne. Schritt für Schritt verwandelt sich die NATO  effektiv zum Gendarmen für die ganze Welt.“(11)
Als die  nächsten wahrscheinlichen Ziele der NATO nannte ich: Afghanistan, den  Kaukasus, die Rückkehr in den Irak, als den Einstieg. Heute, wo alles  das tatsächlich passiert ist, fragen mich manche: „Liest du aus einer  Kristallkugel?“ Man braucht dazu keine Kristallkugel. Es genügt, die  Dokumente des Pentagon und der großen amerikanischen Büros für  Strategiefragen zu lesen und ihre Logik zu erfassen. Diese Papiere sind  nicht geheim.
Die Logik dieses Empire ist in der Tat sehr  einfach: 1. Die Welt ist eine Quelle für Profite. 2. Um  Wirtschaftskriege zu gewinnen, muss man die beherrschende Supermacht  sein. 3. Dafür ist die Kontrolle über die strategischen Rohstoffe,  Regionen und Routen erforderlich. 4. Jeder Widerstand gegen diese  Kontrolle muss gebrochen werden, sei es durch Korruption, Erpressung  oder Krieg. Welche Mittel dazu angewandt werden, spielt keine Rolle. 5.  Um weiterhin die dominante Supermacht zu bleiben, ist es absolut  notwendig, zu verhindern, dass sich die Rivalen gegen den Herren  verbünden.
Die NATO hat sich bereits über drei Kontinente ausgebreitet!
Um ihre wirtschaftlichen Interessen zu verteidigen und der Gendarm der  Welt zu werden, verbreiten die Führer der NATO Panik: „Unsere  hochentwickelte, industrialisierte und komplexe Welt sei von  vielfältigen tödlichen Gefahren bedroht, die Klimawechsel, Dürre,  Hunger, die Sicherheit für die Computernetze, die Energiefrage  betreffen.“(12) So werden nicht-militärische, soziale und Umweltprobleme  als Vorwand benützt, um die Rüstung zu erhöhen und und noch mehr  Interventionskriege zu führen.
Das eigentliche Ziel der NATO  ist es, die UNO zu ersetzen. Diese Militarisierung der Welt bedroht  unsere Zukunft immer stärker und ist mit gewaltigen Kosten verbunden:  Die USA haben für 2011 einen Rekord-Militärhaushalt von 704 Milliarden  geplant. Das sind 2.320 Dollar pro Einwohner! Zwei Mal mehr als zu  Beginn von Bush.
Dazu übt der US-Verteidigungsminister Robert  Gates ständig Druck aus auf die Europäer, mehr auszugeben: „Die  Demilitarisierung von Europa stellt ein Hindernis für die Sicherheit und  einen dauerhaften Frieden im 21. Jahrhundert dar.“(13) Die europäischen  Staaten haben sich bereits gegenüber den USA verpflichten müssen, ihre  Militärausgaben nicht zu reduzieren. Alles zum Profit der  Rüstungsfirmen.
Die weltweite Ausdehnung der NATO hat nichts zu  tun mit Gaddafi, Saddam Hussein oder Milosevic. Es handelt sich  vielmehr um einen weltweit angelegten Plan mit dem Ziel, die Herrschaft  über den Planeten und seine Reichtümer sowie die Privilegien für die  Multis aufrechtzuerhalten. Die Völker sollen gehindert werden, ihren  eigenen Weg zu wählen. Die NATO hat Ben Ali, Mubarak und die Tyrannen in  Saudi Arabien beschützt. Die NATO wird auch ihre Nachfolger beschützen  und nur gegen die gewaltsam vorgehen, die dem Empire Widerstand leisten.
Um Gendarm für die ganze Welt zu werden, geht die NATO Schritt für  Schritt vor. Ein Krieg in Europa gegen Jugoslawien, ein Krieg in Asien  gegen Afghanistan und jetzt in Afrika ein Krieg gegen Libyen. Das sind  schon drei Kontinente! Die NATO war scharf darauf, auch in Lateinamerika  zu intervenieren und hat dazu vor zwei Jahren Manöver gegen Venezuela  inszeniert. Aber dort waren die Risiken zu groß, weil sich Lateinamerika  zunehmend zusammenschließt und die „Gendarmen“ der USA ablehnt.
Warum besteht Washington so sehr darauf, die NATO als Gendarm für  Afrika zu installieren? Auf Grund der neuen Kräfteverhältnisse, wie oben  dargelegt: Die USA befinden sich im Abstieg. Ihre Position wird von  Deutschland, von Russland, von Lateinamerika und China, ja selbst von  den kleinen und mittleren Ländern der Dritten Welt, in Frage gestellt.
Warum spricht man nicht über Africom?
Am meisten beunruhigt Washington die wachsende Stärke Chinas. China  bietet den asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern  fairere Beziehungen, kauft ihre Rohstoffe zu höheren Preisen und ohne  Erpressung, bietet Kredite zu besseren Bedingungen, übernimmt  Infrastrukturarbeiten, die für ihre Entwicklung hilfreich sind. China  bietet ihnen eine Alternative zur Abhängigkeit von Washington, London  oder Paris. Also, was tun, um China entgegenzuwirken?
Das  Problem: eine Macht im wirtschaftlichen Niedergang hat auch gegenüber  den afrikanischen Ländern weniger finanzielle Druckmittel zur Verfügung.  Die USA haben deshalb beschlossen, ihre stärkste Karte auszuspielen:  die militärische Karte. Man muss wissen, dass ihre Militärausgaben höher  sind, als die aller anderen Länder des Globus zusammengenommen. Seit  einigen Jahren schieben sie ihre Figuren auf dem Schachbrett des  afrikanischen Kontinents immer weiter voran. Am 1. Oktober 2008 haben  sie „Africom“ (Kommando für Afrika) geschaffen.
Der ganze  afrikanische Kontinent (mit Ausnahme von Ägypten) wurde unter ein  einheitliches US-Kommando gestellt, dem US-Armee, Marine, Luftwaffe,  Marinetruppen und Spezialeinheiten (für Landungen, Staatsstreiche,  verdeckte Operationen) unterstehen. Um die US-Truppen unterstützen zu  können, soll das Gleiche bei der NATO passieren. Washington, das überall  Terroristen sieht, hat solche auch in Afrika gefunden, zufälligerweise  in den Gegenden, wo es das nigerianische Erdöl und andere begehrte  Rohstoffe gibt. Wer wissen will, wo die nächsten Etappen ihres berühmten  „Krieg gegen den Terror“ stattfinden werden, muss nur auf der Karte  nach den Lagerstätten von Öl, Uran und Coltan suchen. Der Islam hat sich  in zahlreichen Ländern, darunter Nigeria, verbreitet. Damit steht das  nächste Szenario schon fest.
Das eigentliche Ziel von Africom  ist es, die Abhängigkeit Afrikas aufrecht zu erhalten, zu verhindern,  das sich Afrika emanzipiert und eine eigenständige Kraft wird, die sich  mit China und Lateinamerika verbünden könnte. Africom bildet eine  unverzichtbare Waffe in den Plänen der Vereinigten Staaten für die  Beherrschung der Welt. Sie möchten sich bei der großen  Auseinandersetzung, die um die Herrschaft über Asien und seine Seewege  begonnen hat, auf Afrika und ihre exklusive Kontrolle seiner Rohstoffe  stützen können. In der Tat ist Asien der Kontinent, wo bereits jetzt der  entscheidende Wirtschaftskrieg des 21. Jahrhunderts stattfindet.  Angesichts der Stärke Chinas und einer Reihe aufsteigender  Volkswirtschaften, deren Interesse es ist, einen gemeinsamen Block zu  bilden, ist das eine große Herausforderung.
Washington möchte  deshalb Afrika vollständig kontrollieren und den Chinesen die Türe  versperren. Der Krieg gegen Libyen ist folglich die erste Etappe, um  Africom dem ganzen Kontinent aufzuzwingen. Sie eröffnet keine Phase der  Befriedung für die Welt, sondern von neuen Kriegen, in Afrika, im  Mittleren Osten, aber auch im Indischen Ozean zwischen Afrika und China.  Warum der indische Ozean? Weil, er, wie ein Blick auf die Karte zeigt,  die Türe nach China und zum ganzen asiatischen Kontinent bildet. Um  diesen Ozean zu kontrollieren, versucht Washington mehrere strategische  Zonen in den Griff zu bekommen: 1. Den Mittleren Osten und den  persischen Golf. Daher seine Nervosität bei Länder wie Saudi-Arabien,  Jemen, Bahrain und Iran. 2. Das Horn von Afrika, daher seine  Aggressivität gegenüber Somalia und Eritrea. Wir werden auf diese  Geostrategien in unserem Buch „Die Moslemische Welt verstehen. Gespräch  mit Mohamed Hassan.“ zurückkommen, das wir in nächster Zeit  veröffentlichen werden.
Das große Verbrechen von Gaddafi
Kommen wir zurück zu Libyen. Beim Kampf um die Kontrolle über den  Schwarzen Kontinent, ist Nordafrika ein wichtiges Ziel. Wenn Washington  ein Dutzend Militärbasen in Tunesien, Marokko, Algerien sowie in anderen  Afrikanischen Nationen einrichten kann, würde es sich den Weg frei  machen, den ganzen Kontinent mit einem kompletten Netz von Militärbasen  zu überziehen.
Das Projekt Africom ist jedoch auf den  ernstzunehmenden Widerstand der afrikanischen Länder gestoßen. Es sagt  sehr viel aus, dass keines von ihnen bereit war, den Hauptsitz von  Africom auf seinem Gebiet zu akzeptieren. Washington war gezwungen, den  Sitz in Stuttgart in Deutschland zu belassen, eine starke Demütigung.  Unter diesem Blickwinkel betrachtet, ist der Krieg zum Sturz Gaddafis im  Grunde eine sehr klare Warnung an die afrikanischen Staatschefs.
Sie sollen nicht der Versuchung erliegen, einen allzu unabhängigen Weg  zu wählen. Das aber ist das große Verbrechen, das Gaddafi begangen hat:  Libyen hat keine Vereinbarung mit Africom und NATO akzeptiert. In der  Vergangenheit hatten die USA eine wichtige Militärbasis in Libyen.  Gaddafi hat sie 1969 geschlossen. Es liegt auf der Hand: der aktuelle  Krieg hat vor allem das Ziel, Libyen wieder zurückzugewinnen. Es wäre  ein strategischer Vorposten, der es ermöglicht, militärisch in Ägypten  zu intervenieren, sollte sich dieses Land der Kontrolle der USA  entziehen.
Was sind die nächsten Ziele in Afrika?
Die  nächste Frage wird sein: wer ist nach Libyen an der Reihe? Welche  anderen afrikanischen Länder könnten von den USA angegriffen werden? Die  Frage ist leicht zu beantworten. Wenn man weiß, dass Jugoslawien auch  deshalb angegriffen wurde, weil es sich weigerte, der NATO beizutreten,  muss man sich nur die Liste der Länder anzusehen, die nicht bereit  waren, sich an Africom unter der militärischen Führung der USA zu  beteiligen. Es sind 5 Staaten: Libyen, Sudan, Elfenbeinküste, Zimbabwe,  Eritrea. Das sind die nächsten Ziele.
Der Sudan wurde geteilt.  Mit internationalen Sanktionen wird auf ihn Druck ausgeübt. Zimbabwe  steht ebenso unter Sanktionen. Die Elfenbeinküste wurde in einen  Bürgerkrieg gestürzt, den der Westen geschürt hat. Eritrea wurde von  Äthiopien, dem Polizisten für die USA in der Region, ein furchtbarer  Krieg aufgezwungen. Es steht ebenfalls unter Sanktionen. Alle diese  Länder waren oder werden noch Opfer von Propaganda- und  Desinformationskampagnen werden. Ob sie von anständigen und  demokratischen Führen gelenkt werden oder nicht, spielt dabei keine  Rolle. Eritrea versucht, eine wirtschaftlich und sozial selbstständige  Entwicklung zu gehen. Es weist die „Hilfen“ zurück, die ihm die von  Washington kontrollierte Weltbank und IMF aufzwingen wollen. Dieses  kleine Land verzeichnet erste Erfolge in seiner Entwicklung, wird aber  international bedroht. Auch andere Länder sind genauso in der  Schusslinie der USA, falls sie einen falschen Schritt gehen. Das gilt  besonders für Algerien.
In der Tat zahlt es sich nicht aus,  seinen eigenen Weg zu gehen. Allen denen, die immer noch glauben  sollten, dass dies eine „Verschwörungstheorie“ sei, und die USA keine  Kriege planten, sondern von Fall zu Fall nur auf aktuelle Entwicklungen  reagierten, erinnern wir daran, was 2007 der ehemalige General Wesley  Clark (Oberkommandierender der Streitkräfte der NATO in Europa von 1997  bis 2001. Er leitete die Bombardierungen Jugoslawiens) erklärte: „2001  hat mir ein General im Pentagon gesagt:“ Ich habe soeben ein  vertrauliches Memo des Verteidigungsministers erhalten: wir werden uns  in den nächsten fünf Jahren sieben Länder vornehmen: wir beginnen mit  dem Irak, dann folgen Syrien, Libanon, Somalia, Sudan und zum Schluss  der Iran.“(14) Wunschvorstellungen und Realität weichen von einander ab.  Aber die Pläne liegen vor. Nur ihre Umsetzung hat sich verzögert.
Übersetzung aus dem Französischen von Bernd Duschner, 22.5.2011
Die Übersetzung steht – mit Quellenangabe www.forumaugsburg.de – zur freien Verfügung und Weiterverbreitung.
Original: http://www.michelcollon.info/Comprendre-la-guerre-en-Libye-2-3.html?lang=fr
Anmerkungen und Quellen:
(1) Marianna Lepore, The war in Libya and Italian interests, inaltreparole.net, 22 février.
(2) Ron Fraser, Libya accelerates German-Arabian peninsula alliance, Trumpet.com, 21 mars
(3) Michel Collon, Israël, parlons-en!, Bruxelles 2010, p. 172.
(4) Die Abkürzung IMF steht für: Internationaler Währungsfonds  (englisch: International Monetary Fund), eine Sonderorganisation der  Vereinten Nationen [Anmerkung der Red.]
(5) New York Times Magazine, novembre 2006.
(6) Interview radio Democracy now, 10 février.
(7) WiMax ist ein modernes Funkübertragungssystem für schnelles Internet, s. z.B. http://www.telcowatch.de/wimax.htm [Anmerkung der Red.]
(8) J-P Pougala, Les mensonges de la guerre contre la Libye, palestine-solidarite.org, 31 mars
(9) Michel Collon, Poker menteur, Bruxelles, 1998, p. 160-168.
(10) Nato after enlargement, US-Army War College, 1998, p. 97.
(11) Michel Collon, Monopoly – L’Otan à la conquête du monde, Bruxelles 2000, pp. 90 et 102.
(12) Assemblée commune Otan – Lloyd’s à Londres, 1er octobre 2009.
(13) Nato Strategic Concept seminar, Washington, 23 février 2010.
(14) Interview radio Democracy Now, 2 mars 2007
 
 
 
          
      
 
  
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Durch solch ausführliche Analysen (wie von Thierry Messan u.v.a.) fällt allmählich der Groschen was die zunehmende, fast schon schizophren anmutende Missachtung der Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung z.B. hier in D angeht - und auch unabhängig von den Aktivitäten verschwörerischer Machtzirkel über eine großangelegte rein geopolitische Agenda der Westmächte hinaus.
AntwortenLöschenEiner Angela Merkel ist es herzlich egal ob die heimische Bevölkerung allmählich aufbegehrt solange sich die schweigende Mehrheit mit dümmlichen Allgemeinplätzen wie "Deutschland geht es gut " sedieren läßt. Aus der Sicht eines paranoiden Polit-Profis mag das sogar stimmen, legt man nur die deutsche Situation und Position im internationalen geopolitischen Ränkespiel zugrunde.
Da erscheint es mir nur allzu folgerichtig, dass kritische Stimmen im Bundestag in Person eines Gregor Gysi,einer Sarah Wagenknecht oder eines Nigel Farage im EU-Parlament mit Hohn,Gelächter und störenden Zwischenrufen goutiert werden:
Denn es geht nur noch darum die eigene Spielfigur in der dominanten Position auf dem weltpolitischen Schachbrett zu halten - alles andere hat sich dieser Direktive unterzuordnen -koste es was es wolle.
Denn der vollständige Kollabs der sogenannte westlichen Wertegemeinschaft wäre für die herrschende Klasse gleichbedeutend mit dem "Ende der Welt" - IHRER Welt, wohlgemerkt, einer Welt die dem Otto-Normalverbraucher als
ideologisches Zerrbild aufoktruiert wurde.
Deswegen ist es für diese Machtzirkel auch völlig irrelevant welch strahlender Phönix sich aus der Asche eines "kontrollierten" Zusammenbruches erheben könnte - mit Menschen die, von den Zwängen dieses Systems befreit, völlig neue und bislang bestenfalls grob antizipierte Perspektiven entwickeln dürften:
Es wäre nicht mehr die "Alte Weltordnung" und dies muss mit allen Mitteln verhindert werden bzw. mit faustischen Mogelpackung "New World Order" übertüncht werden.
Oder anders gesagt: wer würde schon freiwillig dazu beitragen den eigenen Kopf und Kragen zu riskieren um dem Wohl aller gerecht zu werden ?
Paulus vielleicht, aber der ist schon lange tot...