von Gert Ewen Ungar
Im Jahr 2012 bekam die EU den Friedensnobelpreis für "Sechs Jahrzehnte, die zur Entwicklung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa beitrugen". Das war damals schon nicht ganz richtig, heute ist es völlig falsch. Der forcierte Integrationsprozess hin zu den Vereinigten Staaten von Europa über die Ausweitung der Macht der Kommission verbunden mit der Kompetenzausweitung des Europäischen Gerichtshofs höhlt die Demokratie und die Souveränität der Nationalstaaten immer weiter aus. Von echter Friedenspolitik, von echtem diplomatischen Bemühen um Interessenausgleich zwischen den Ländern auf dem europäischen Kontinent hat sich die EU immer weiter entfernt.
Aktuell eskaliert sie aktiv einen Konflikt auf dem europäischen Kontinent, denn die EU feuert den Ukraine-Konflikt an. Sie liefert Waffen in ein Krisengebiet, macht zu einem Zeitpunkt Zusagen der Unterstützung, zu dem die Konfliktparteien sich bereits auf Verhandlungen geeinigt haben und nach Lösungen suchen. Die EU sabotiert damit die Unterredungen. Gleichzeitig zerstört sie das Verhältnis zu Russland, möchte das Land gar "ruinieren", wie die deutsche Außenministerin meinte – von der EU wurde dabei nicht widersprochen. Die EU macht mit ihrer Parteinahme und Unterstützung der Ukraine deutlich, sie ist an Frieden auf dem europäischen Kontinent nicht interessiert. Es geht ihr um Ausweitung von Macht und Einfluss. Die EU ist ein geopolitisches, ein imperialistisches, aber kein Friedensprojekt.
Rückblick: Die Europäische Union an der Wurzel des Konflikts
Wer das für eine ganz neue Entwicklung hält, übersieht die Ursache des Ukraine-Konflikts. Um zu verstehen, was gerade passiert, muss man ins Jahr 2013 zurückgehen, zum Beginn der Ereignisse um den Maidan, der letztlich zum Putsch gegen die Regierung, zur Abspaltung der Krim und zum Bürgerkrieg im Osten des Landes führte. Am Beginn all dieser Ereignisse steht als Auslöser ein zwischen der EU und der Ukraine ausgehandeltes Abkommen: das EU-Assoziierungsabkommen.
Der damalige Präsident Janukowitsch hat im letzten Moment die Unterschrift verweigert, denn es hätte die für die Ukraine wichtigen Handelsbeziehungen mit Russland nachhaltig und tief negativ beeinflusst. Die Ukraine befand sich in einer Zollunion mit Russland. Die Unterschrift unter das Dokument hätte das Ende der Handelsbeziehung mit den Ländern der Zollunion bedeutet, denn diese hätten ihre Märkte vor der EU schützen müssen.
Zudem enthält das Assoziierungsabkommen in Artikel 7 eine militärische Komponente. Die Ukraine wird Teil der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU. Janukowitsch bat um mehr Zeit und um gemeinsame Konsultationen mit Russland, denn das Assoziierungsabkommen ist ein Entweder-oder-Abkommen, das der Ukraine unmöglich macht, eine Brückenfunktion einzunehmen.
Doch statt mehr Zeit und Konsultationen unter Einbeziehung Russlands bekam er eine von außen befeuerte und finanzierte Protestbewegung und wurde schließlich weggeputscht. Janukowitschs Sorge um die Stabilität der Ukraine und die Beziehungen in Europa wurden übergangen – von der EU wohlgemerkt.
Die Verweigerung der Unterschrift war Auslöser für den Euromaidan in Kiew. Proteste kamen zunächst überwiegend von Studenten, die sich eine Anbindung an die EU wünschten. Diese Proteste wurden schnell instrumentalisiert und von rechts unterwandert. Schließlich gaben sich westliche Politiker auf dem Maidan die Klinke in die Hand und unterstützten die Demonstranten aktiv. Ein eindeutiger Verstoß gegen das Völkerrecht und alle europäischen Sicherheitsabkommen, die eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder untersagen. Die Bundesregierung beteiligte sich schließlich aktiv am Putsch in der Ukraine.
8 Jahre Bürgerkrieg und das Scheitern der Diplomatie
Diese Geschehnisse, die damit verbundene Gewalt sowie die Beteiligung rechtsnationalistischer und faschistischer Kräfte am Umsturz führten dann unmittelbar zur Abspaltung der Krim. Darüber hinaus erklärten sich Donezk und Lugansk zu unabhängigen Republiken und strebten wie schon die Krim die Integration in die Russische Föderation an. Kiew schickte Truppen. Im Osten der Ukraine begann ein Bürgerkrieg. Das EU-Assoziierungsabkommen wurde unterschrieben, die EU hatte ihren Einflussbereich damit erweitert. Man kann schon in diesem frühen Stadium erkennen, wie Deutschland und die EU maßgeblich zur Eskalation der Situation in der Ukraine beigetragen haben.
Russland lehnte den Wunsch der Donbass Republiken nach Aufnahme in die Russische Föderation ab und bemühte sich um Verhandlungen.
Mitinitiiert von Russland bemühten sich OSZE, Ukraine und Russland um einen Waffenstillstand. Das war Minsk I. In einer zweiten Verhandlungsrunde waren noch Deutschland und Frankreich mit dabei. Sie sollten als Garantiemächte bei der Umsetzung von Minsk II an der neuen Friedensordnung für die Ukraine mitwirken.
Das alles geschah im ersten Jahr des Konflikts. Seit der Unterzeichnung von Minsk II sind sieben Jahre vergangen und es hat sich wenig bewegt. Im Osten der Ukraine ist Bürgerkrieg. Es sterben Menschen, für deren Tod sich in der EU und Deutschland kaum jemand interessiert hat. Im Gegenteil. Jeder, der sich wie beispielsweise der Dokumentarfilmer Mark Bartalmai dem Thema annimmt, wird in die rechte Ecke gestellt und offen diskriminiert. Sein Film "Ukrainian Agony. Der verschwiegene Krieg", der das Leben in den Donbass Republiken zum Thema hat, ist nur wenig bekannt.
Während die Garantiemächte Deutschland und Frankreich kaum etwas unternommen haben, um die Ukraine zur Umsetzung ihrer Verpflichtungen zu drängen, wurde Russland umfassend sanktioniert. Dabei ist Russland keine Konfliktpartei. Angeblich verstößt Russland gegen das Minsker Abkommen. Auf konkrete Nachfragen, gegen welche Punkte Russland verstoßen haben soll, erntet man Schweigen, ein diffuses "zu wenig Druck ausgeübt" oder den Hinweis auf angeblich vorhandene russische Truppen im Donbass, wofür allerdings jeder echte Beleg fehlt. Die EU eskaliert immer weiter.
Der Bürgerkrieg im Osten der Ukraine dauert an. Unter Trump war der Konflikt in seiner Brüchigkeit stabil. Trump hatte kein Interesse an diesem Konflikt und ihn sich daher weitgehend selbst überlassen. Mit dem Machtwechsel zu Biden flammt der Konflikt erneut auf, denn Kiew bekam Rückendeckung aus dem Weißen Haus. Der Donbass geriet stärker unter Beschuss durch ukrainisches Militär. Die westlichen "Garantiemächte" unternahmen nichts, dem erneuten Aufflammen von massiver Gewalt entgegenzuwirken. Im Gegenteil wollte schon Außenminister Maas Minsk II aufschnüren.
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