Sonntag, 26. April 2015

Was will Putin? Eine grundlegende Analyse


Danke FreeSpeech für den Link. Vorwort vom Saker: Die folgende Analyse ist bei weitem die beste, die ich seit dem […]


Danke FreeSpeech für den Link.
Vorwort vom Saker:
Die folgende Analyse ist bei weitem die beste, die ich seit dem Beginn des Konflikts in der Ukraine gesehen habe. Ich habe schon früher regelmäßig Analysen von Ishchenko auf diesem blog veröffentlicht, weil ich ihn für einen der besten Analytiker Russlands halte. Diesmal aber hat Ishchenko wirklich ein Meisterwerk geschaffen: Eine umfassende Analyse der geostrategischen Position Russlands and eine klare und, so glaube ich, absolut genaue Analyse der gesamten “Putin Strategie” für die Ukraine. Ich habe immer gesagt, dass es in diesem Konflikt nicht um die Ukraine geht, sondern um die Zukunft des Planeten und dass es keine “neurussische” oder sogar eine “ukrainische” Lösung gibt, sondern nur das mögliche Ergebnis eines strategischen Sieges entweder Russlands oder der USA, das den gesamten Planeten betreffen wird. Ishchenko bietet einen hervorragenden Überblick über die Risiken und Optionen beider Seiten und bietet den ersten umfassenden “Schlüssel” zu dem scheinbar unverständlichen Verhalten Russlands in diesem Konflikt. Schließlich versteht Ishchenko auch voll die komplexe und subtile Dynamik in der russischen Gesellschaft. Wenn er schreibt “russische Macht ist autoritativ und nicht autoritär” trifft er ins Schwarze und erklärt in sieben Worten mehr als das, was Sie durch das Lesen der Milliarden unnützer Worte erreichen könten, mit denen sogenannte “Experten” versuchen, die russische Realität zu beschreiben.

Wir alle schulden Denis, Gideon und Robin immensen Dank dafür, dass sie diesen bedeutenden Text übersetzt haben, was _sehr_ schwer war. Der einzige Grund, warum wir ihn in so guter Ausführung lesen können ist, dass diese Freiwilligen zahlreiche Stunden damit verbracht haben, um eine so hochwertige Übersetzung zu schaffen, wie sie diese Analyse auch verdient.
Ich empfehle eindringlich, dass Ihr alle diesen Text aufmerksam lest. Zwei mal. Er ist es wert.
Der Saker

Was will Putin?

von Rostislav Ishchenko
Quelle: actualcomment.ru
Aus dem Russischen übersetzt von Denis, Gideon und Robin
Es ist erfreulich, dass die “Patrioten” das Versagen, den ukrainischen Truppen im Donbass im Januar und Februar eine vollständige Niederlage zuzufügen oder die Moskauer Konsultationen mit Merkel und Hollande nicht gleich Putin als Schuld anlasteten.
Dennoch erwarten sie immer noch ungeduldig einen Sieg. Die Radikalsten sind davon überzeugt, dass Putin NovoRossija sowieso aufgeben wird. Und die Moderaten fürchten, dass er das tun wird, sowie der nächste Waffenstillstand unterzeichnet ist (falls das passiert), weil er die Armee NovoRossijas umstellen und ausstatten muss (was man übrigens gekonnt hätte, ohne die Kämpfe einzustellen), um sich auf die Umstände an der internationalen Front einzustellen und um sich auf neue diplomatische Schlachten vorzubereiten.
Tatsächlich ist die Situation im Donbass und in der Ukraine trotz all der Aufmerksamkeit der politischen und/oder militärischen Dilletanten (den Talleyrands und Bonapartes im Internet) lediglich ein Abschnitt der globalen Front; das Ergebnis dieses Krieges wird nicht am Donetzker Flughafen oder auf den Hügeln ausserhalb von Debaltsevo entschieden, sondern in den Büros der Präsidialverwaltung und des Aussenministeriums in Moskau sowie in Büros in Paris, Brüssel und Berlin. Denn militärische Aktionen sind nur eine der vielen Komponenten dieser politischen Auseinandersetzung.
Es ist die gröbste und letzte Komponente, die großes Risiko in sich birgt, aber die Angelegenheit beginnt nicht mit Krieg und sie endet nicht mit Krieg. Krieg ist nur ein Zwischenschritt, der die Unmöglichkeit eines Kompromisses aufzeigt. Sein Zweck ist es, neue Bedingungen zu schaffen, wodurch ein Kompromiss möglich wird oder um zu zeigen, dass nicht länger eine Notwendigkeit besteht, weil eine Seite des Konflikts nicht mehr existiert. Wenn es an der Zeit für einen Kompromiss ist, wenn die Kämpfe vorbei sind und die Truppen in ihre Kasernen zurückkehren und die Generäle beginnen, ihre Memoiren zu schreiben und sich auf den nächsten Krieg vorzubereiten, dann wird das wirkliche Ergebnis der Konfrontation festgestellt durch Politiker und Diplomaten am Verhandlungstisch.

Politische Entscheidungen werden nicht immer verstanden von der Bevölkerung und dem Militär. Zum Beispiel verwarf der preussische Kanzler Otto von Bismarck (später der Reichskanzler) im österreichisch-preussischen Krieg von 1886 die wiederholten Anfragen von König Wilhelm I (künftiger Kaiser) und die Forderungen der preussischen Generäle, Wien einzunehmen und er lag absolut richtig damit. Auf diese Weise beschleunigte er einen Frieden zu preussischen Bedingungen und stellte zugleich sicher, dass Österreich-Ungarn für immer (nun ja, bis zu seiner Auflösung 1918) ein Juniorpartner Preussens und später des deutschen Kaiserreichs sein würde.
Um zu verstehen, wie, wann und unter welchen Bedingungen militärische Aktionen enden können, müssen wir wissen, was die Politiker wollen und wie sie die Vorausetzungen für einen Kompromiss nach dem Krieg betrachten. Dann wird klar, warum militärische Aktionen in einen Bürgerkrieg niedriger Intensität mit gelegentlichen Waffenstillständen mündeten, nicht nur in der Ukraine sondern auch in Syrien.
Offensichtlich ist die Sicht der Politiker in Kiev nicht von Interesse für uns, weil die nichts entscheiden. Die Tatsache, dass Dritte die Ukraine regieren, ist nicht länger verborgen. Ob die Minister der Regierung Esten sind oder Georgier ist egal; sie sind jedenfalls Amerikaner. Ebenso würde es ein großer Fehler sein, sich dafür zu interessieren, wie die Führer der DVR (Volksrepublik Donetzk) oder der LVR (Volksrepublik Lugansk) die Zukunft sehen. Die Republiken existieren nur durch russische Unterstützung und so lange Russland sie unterstützt, müssen russische Interessen geschützt werden, sogar vor unabhängigen Entscheidungen und Initiativen. Es geht einfach um zu viel, als dass Zaharchenko oder Plotnitzky oder sonst jemandem gestattet werden könnte, unabhängige Entscheidungen zu treffen.
Nun sehen wir uns mal die Position der EU an. Von ihr hing viel ab bis zum Sommer des letzten Jahres, als der Krieg verhindert oder gleich zu Beginn unterbunden hätte werden können. Eine entschlossene, klare Anti-Kriegs Haltung der EU war erforderlich. Sie hätte die US Vorstöße, einen Krieg zu beginnen, blockieren können and würde die EU zu einem bedeutenden, unabhängigen geopolitischen Spieler gemacht haben. [Aber] die EU ließ die Gelegenheit verstreichen und verhielt sich stattdessen wie ein getreuer Vasall der Vereinigten Staaten.
Das Ergebnis ist, dass Europa am Rande eines furchtbaren internen Aufstandes steht. Es hat in den kommenden Jahren alle Chancen, das gleiche Schicksal zu erfahren wie die Ukraine, nur mit einem großen Aufschrei, großen blutigen Opfern und einer geringeren Aussicht, dass sich die Dinge in absehbarer Zukunft wieder einrenken – in anderen Worten, dass jemand kommen und die Dinge wieder in Ordnung bringen wird.
In der Tat kann Europa heute wählen, ob es ein Werkzeug der Vereinigten Staaten bleiben oder näher an Russland heranrücken will. Je nach dem, wie es sich entscheidet, kann Europa mit einigen Schrammen davonkommen, wie z.B. dem Verlust von einigen Ländern in den Randzonen und der möglichen Fragmentierung einiger Länder, oder aber es wird komplett zusammenbrechen. Ausgehend von der Zögerlichkeit der EU Eliten, offen mit den USA zu brechen, ist ein Zusammenbruch nahezu unvermeidlich.
Was uns interessieren sollte, ist die Meinung von den zwei wesentlichen Kräften, die maßgeblich sind für die Konfiguration der geopolitischen Front und die in der Tat um den Sieg in einer neuen Generation von Krieg kämpfen – dem Dritten Weltkrieg mit Netzwerken im Zentrum [“Cyber …”]. Diese Kräfte sind die Vereinigten Staaten und Russland.
Die US-Position ist klar und erkennbar. Washington verpasste in der zweiten Hälfte der 90er Jahre seine einzige Gelegenheit, das Wirtschaftssystem des kalten Krieges ohne jedes Hindernis zu reformieren und solchermaßen die lauernde Krise in einem System abzuwenden, dessen Entwicklung durch die Begrenztheit des Planeten Erde und seiner Ressourcen, einschließlich menschlicher, limitiert ist, was im Konflikt mit dem Bedarf steht, endlos Dollars zu drucken.
Danach konnten die Vereinigten Staaten den Todeskampf des Systems nur noch verlängern durch die Plünderung der Welt. Zuerst fiel man über Länder der Dritten Welt her. Dann über potentielle Mitbewerber. Dann über Alliierte und sogar über enge Freunde. Dieses Plündern konnte nur weitergehen, solange die Vereinigten Staaten der unhinterfragte Hegemon [~ “Herrscher”] der Welt blieben.
So wurde ein Zusammenstoß mit den Vereinigten Staaten unvermeidbar, als Russland begann, sein Recht umzusetzen, unabhängige politische Entscheidungen zu treffen – [sogar] Entscheidungen nicht globaler sondern [nur] regionaler Bedeutung. Dieser Zusammenstoß aber kann nicht in einem Kompromiss-Frieden enden.
Für die Vereinigten Staaten würde ein Kompromiss mit Russland einen freiwilligen Verzicht auf seine Herrschaft bedeuten und zu einer schnellen System-Katastrophe führen – nicht nur einer politischen oder wirtschaftlichen Krise, sondern auch einer Lähmung der staatlichen Institutionen und der Unfähigkeit der Regierung zu funktionieren. In anderen Worten, zu einer unvermeidlichen Selbstauflösung.
Wenn aber die Vereinigten Staaten gewinnen, dann ist es Russland, das eine System-Katastrophe erleben wird. Nach so einer “Rebellion” Russlands führender Klassen würden diese mit Enteignung und auch mit Gefängnis bestraft. Der Staat würde aufgespalten, erhebliche Teile des Staatsgebietes würden übernommen und die Militärmacht des Landes würde zerstört.
Daher wird der Krieg weitergehen, bis eine Seite gewinnt. Jede zwischenzeitliche Übereinkunft sollte als lediglich temporärer Waffenstillstand betrachtet werden; eine benötigte Schnaufpause, um sich neu aufzustellen, neue Ressourcen zu mobilisieren und zusätzliche Verbündete zu finden (d.h. abzuwerben).
Um das Bild zu vervollständigen, brauchen wir nur noch Russlands Position. Es ist entscheidend zu verstehen, was die russische Führungsspitze erreichen möchte; besonders der Präsident, Vladimir Putin. Wir sprechen hier über die Schlüsselrolle, die Putin in der russischen Machtstruktur spielt. Dieses System ist nicht autoritär, wie viele meinen, sondern autoritativ – will heissen, es gründet nicht in der Konsolidierung von Autokratie sondern in der Autorität der Person, die das System geschaffen hat und in der Führungsrolle dafür sorgt, dass es effektiv arbeitet.
Während Putins 15 Jahren an der Macht hat er trotz der schwierigen internen und externen Situation versucht, die Rolle der Regierung, des Parlaments und sogar der lokalen Regierungen und Verwaltungen auszubauen und zu stärken. Dies sind ganz logische Schritte, die das System mit Vollständigkeit, Stabilität und Beständigkeit ausstatten sollten. Da kein Politiker ewig regieren kann, ist politische Beständigkeit ganz unabhängig davon, wer an die Macht kommt, der Schlüssel zu einem stabilen System.
Bedauerlicherweise wurde eine volle selbständige Kontrolle, insbesondere die Fähigkeit, ohne die Aufsicht des Präsidenten zu funktionieren, nicht erreicht. Putin bleibt der entscheidende Faktor des Systems, weil die Menschen ihm als Person vertrauen. Sie haben viel weniger Vertrauen in das System, insoweit es um öffentliche Autoritäten und die einzelnen Einrichtungen geht.
So werden Putins Ansichten und politische Pläne zum entscheidenden Faktor in Bereichen wie der russischen Außenpolitik. Wenn es auch eine Übertreibung wäre, zu sagen, dass es ohne Putin kein Russland gibt, dann beschreibt meiner Meinung nach die Aussage “was Putin will, will Russland” ziemlich genau die Situation.
Zunächst ist anzumerken, dass der Mann, der Russland 15 Jahre lang bedachtsam in seiner Wiederbelebung geführt hat, das getan hat unter Bedingungen einer US-Herrschaft in der Weltpolitik, unter denen Washington beträchtliche Gelegenheiten hatte, Russlands interne Politik zu beeinflussen. Er [Putin] musste die Natur des Kampfes und seinen Gegner verstehen, sonst hätte er nicht so lange durchgehalten.
Das Ausmaß der Konfrontation, das sich Russland mit den USA erlaubte, nahm sehr langsam zu und wurde bis zu einem bestimmten Punkt nicht bemerkt. Zum Beispiel reagierte Russland überhaupt nicht auf den ersten Versuch einer Farbrevolution in der Ukraine 2000 bis 2002 (der Gongadze Fall, der Cassetten-Skandal und die Ukraine ohne Kuchma Proteste: Georgiy Gongadze war ein in Georgien gebürtiger ukrainischer Journalist und Regisseur, der 2000 gekidnapped und ermordet wurde. Der Kassetten Skandal wurde 2000 durch die Herausgabe von Audio-Bändern ausgelöst, auf denen Leonid Kuchma angeblich die Notwendigkeit bespricht, Gongadze zum Schweigen zu bringen wegen dessen Berichten über Korruption auf höchster Ebene. In Folge des Kassetten Skandals kam es 2000 bis 2001 zu massiven Anti Kuchma Protesten in der Ukraine.)
Russland bezog eine Position dagegen, intervenierte aber nicht bei den Coups, die vom November 2003 bis Januar 2004 in Georgien und vom November 2004 bis Januar 2005 in der Ukraine stattfanden. In 2008 setzte Russland sein Militär in Ossetien und Abchasien gegen den US-Verbündeten Georgien ein. 2012 zeigte die russische Flotte vor Syrien ihre Bereitschaft, die Vereinigten Staaten und ihre NATO-Allierten zu konfrontieren.
2013 begann Russland, wirtschaftliche Maßnahmen gegen die Janukowitsch-Regierung zu unternehmen, was dazu beitrug, dass ihm die Schädlichkeit der Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens (mit der EU) klar wurde.
Moskau hätte die Ukraine nicht retten können angesichts der Voreingenommenheit, Feigheit und Dummheit der ukrainischen Führung – nicht nur die von Janukowitsch, sondern von allen ohne Ausnahme. Nach dem bewaffneten Coup in Kiev im Februar 2014 begab sich Russland in eine offene Konfrontation mit Washington. Zuvor waren die Konflikte der beiden Länder durchzogen von Phasen mit besseren Beziehungen, aber Anfang 2014 verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten rapide und erreichten ziemlich umgehend den Punkt, an dem man sich vor dem nuklearen Zeitalter automatisch den Krieg erklärt hätte.
Putin ließ sich zu jedem Zeitpunkt auf genau das Ausmaß an Konfrontation mit den Vereinigten Staaten ein, mit dem Russland zurecht kam. Wenn Russland das Ausmaß der Konfrontation nun nicht begrenzt, dann bedeutet das, dass Putin der Ansicht ist, dass Russland im Sanktionskrieg, im Nervenkrieg, im Informationskrieg, im Bürgerkrieg in der Ukraine und im Wirtschaftskrieg, gewinnen kann.
Dies ist die erste wichtige Schlussfolgerung in der Frage, was Putin will und was er erwartet. Er erwartet zu gewinnen. Und bedenkt man, was für einen wohlüberlegten Ansatz er wählt und wie er danach strebt, überraschende Entwicklungen vorherzusehen, so kann man sicher sein, dass die russische Führung, als sie beschloss, dem Druck der Vereinigten Staaten nicht nachzugeben sondern ihm entgegenzutreten, eine doppelte, wenn nicht eine dreifache Gewissheit hatte zu gewinnen.
Ich möchte darauf hinweisen, dass die Entscheidung, in einen Konflikt mit Washington einzutreten, nicht 2014 getroffen wurde und auch nicht 2013. Der Krieg vom 8. August 2008 war eine Herausforderung, die die Vereinigten Staaten nicht ungestraft lassen konnten. Danach stiegen Preis und Risiko in jeder Phase der Konfrontation für beide Seiten. Von 2008 bis 2010 sind die Fähigkeiten der Vereinigten Staaten – nicht nur die miltärischen oder wirtschaftlichen sondern insgesamt – gesunken, während die Russlands sich erheblich verbessert haben. Das Hauptziel war es also, Preis und Risiko langsam zu erhöhen und nicht explosionsartig. In anderen Worten: Eine offene Konfrontation, bei der alle Vorwände fallen gelassen werden und bei der jeder versteht, dass ein offener Krieg stattfindet, musste so lange wie möglich hinausgezögert werden.
Mit jedem weiteren Jahr wurden die Vereinigten Staaten schwächer während Russland stärker wurde. Dieser Vorgang war natürlich und unaufhaltsam und man hätte mit hoher Gewissheit vorhersagen können, dass die US-Herrschaft um 2020 bis 2025 ohne jede Konfrontation geendet hätte und dass die Vereinigten Staaten am besten beraten wären, nicht darüber nachzudenken, wie man die Welt beherrscht, sondern darüber, wie man seinen eigenen steilen Abstieg verhindern könnte.
So ist Putins zweite Absicht klar: Den Frieden oder wenigstens den Anschein von Frieden so lange wie möglich zu bewahren. Frieden ist vorteilhaft für Russland, weil es unter Friedensbedingungen ohne enorme Kosten das gleiche politische Ergebnis erreichen kann, aber in einer erheblich besseren geopolitischen Situation. Das ist der Grund dafür, dass Russland immer wieder Friedensangebote macht. Ebenso wie die Junta in Kiew kollabieren wird, wenn im Donbass Frieden herrscht, sind auch der militärisch-industrielle Komplex und das von den Vereinigten Staaten geschaffene globale Finanzsystem zur Selbstzerstörung verurteilt, wenn in der Welt Frieden herrscht. So gesehen lässt sich Russlands Handeln gut beschreiben mit der Sun-Tzu Maxime “Der größte Sieg ist jener, der ohne Schlacht errungen wird”.
Es ist klar, dass Washington nicht von Idioten gemanagt wird, egal was in russischen Talk-Shows gesagt oder in Blogs geschrieben wird. Die Vereinigten Staaten verstehen die Situation, in der sie sich befinden, sehr genau. Darüber hinaus verstehen sie auch, dass Russland nicht vorhat, sie zu zerstören und wirklich darauf eingestellt ist, mit ihnen auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Doch wie auch immer,  solch eine Zusammenarbeit ist für die Vereinigten Staaten nicht akzeptabel wegen ihrer politischen, sozialen und wirtschaftlichen Situation. Es wird wahrscheinlich zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch und einer gesellschaftlichen Explosion kommen, ehe Washington (sogar mit Unterstützung von Moskau und Peking) Zeit findet, die notwendigen Reformen einzuführen, besonders wenn man berücksichtigt, dass die EU dieselben Reformen zur selben Zeit auf sich nehmen muss. Darüber hinaus hat sich die politische Elite, die sich in den letzten 25 Jahren in den Vereinigten Staaten entwickelt hat, an ihren Status als Besitzer der Welt gewöhnt. Die verstehen wirklich nicht, wie jemand sie herausfordern kann.
Für die herrschende Elite der Vereinigten Staaten (weniger die wirtschaftliche als vielmehr die Regierungsbürokraten) ist der Wechsel von einem Land, das über das Schicksal unterlegener Völker entscheidet, hin zu einem, das mit den anderen auf gleicher Ebene steht, unerträglich. Für sie ist es wohl so, als ob man Gladstone oder Disraeli den Posten des Premierministers eines Zulu-Königreiches unter Cetshwayo kaMpande anbieten würde. Und so betrachten die Vereinigten Staaten, anders als Russland, das Frieden braucht, um sich zu entwickeln, Krieg als unverzichtbar.
Im Grunde ist jeder Krieg ein Kampf um Ressourcen. Üblicherweise ist der Gewinner derjenige mit mehr Ressourcen, der letztlich mehr Truppen mobilisieren und mehr Panzer, Schiffe und Flugzeuge bauen kann. Dennoch können die strategisch Benachteiligten manchmal die Situation wenden durch einen taktischen Sieg auf dem Schlachtfeld. Beispiele dafür sind die Kriege von Alexander dem Großen und Friedrich dem Großen wie auch Hitlers Feldzug von 1939 bis 1940.
Nuklearmächte können einander nicht direkt konfrontieren. Daher ist ihre Ressourcenbasis von entscheidender Wichtigkeit. Das ist genau der Grund, warum Russland und die Vereinigten Staaten während des letzten Jahres in einem verzweifelten Wettlauf um Verbündete waren. Diesen Wettlauf hat Russland gewonnen. Die Vereinigten Staaten können nur auf die EU, Kanada, Australien und Japan als Verbündete zählen (und auch das nur bedingt), aber Russland hat es fertiggebracht, die Unterstützung durch BRICS zu mobilisieren, solide Fuß in Lateinamerika zu fassen und damit zu beginnen, die USA in Asien und Nordafrika zu verdrängen.
Es ist natürlich nicht völlig offensichtlich, aber wenn man die Ergebnisse von Abstimmungen bei der UN betrachtet und dabei bedenkt, dass mangelnde offizielle Unterstützung für die Vereinigten Staaten Ablehnung bedeutet und mithin Unterstützung für Russland, dann zeigt sich, dass die Länder auf der Seite von Russland zusammen etwa 60% des Welt-BSP (Bruttosozialprodukts) kontrollieren, über 2/3 der Weltbevölkerung ausmachen und mehr als 3/4 der Landmasse. Das heißt, dass Russland mehr Ressourcen hat.
In dieser Situation hatten die Vereinigten Staaten zwei Optionen. Die erste schien großes Potential zu haben und wurde von ihnen seit den Anfängen der Ukraine-Krise eingesetzt.
Es war ein Versuch, Russland zu zwingen, zwischen einer schlechten und einer noch schlechteren Situation zu wählen. Russland wäre gezwungen, einen Nazi-Staat an seinen Grenzen zu akzeptieren und somit einen dramatischen Verlust an internationaler Bedeutung und Vertrauen sowie den Verlust und die Unterstützung seiner Verbündeten hinzunehmen; in Folge davon wäre Russland nach kurzer Zeit verletzbar für interne und externe pro-USA-Kräfte, ohne Chance zu überleben. Alternativ könnte Russland seine Armee in die Ukraine schicken und die Junta hinauswerfen, bevor diese sich fest etabliert und die legitime Janukowitsch-Regierung wieder ins Amt bringen. Das allerdings hätte Anklagen wegen Aggression gegen einen unabhängigen Staat und wegen der Unterdrückung der Revolution der Bürger mit sich gebracht. Solch eine Situation würde zu einem hohen Ausmaß an Missbilligung der Ukrainer führen und zur Notwendigkeit, ständig wachsende erhebliche militärische, politische, wirtschaftliche und diplomatische Ressourcen aufzuwenden, um ein Marionettenregime in Kiew an der Macht zu halten, weil unter solchen Umständen keine andere Regierung möglich gewesen wäre.
Russland hat dieses Dilemma vermieden. Es gab keine direkte Invasion. Es ist der Donbass, der Kiew bekämpft. Es sind die Amerikaner, die wertvolle Ressourcen für das zum Scheitern verurteilte Marionettenregime in Kiew aufwenden müssen, während Russland am Rand bleiben und Friedensvorschläge machen kann.
So setzen die Vereinigten Staaten nun die zweite Option ein. Sie ist so alt wie die Gebirge. Das, was man nicht halten kann und was vom Feind genommen werden wird, muss so weit wie irgend möglich zerstört werden, so dass der Sieg für den Feind teurer wird als eine Niederlage, da alle seine Ressourcen genutzt werden, um das völlig zerstörte Territorium wieder aufzubauen. Die Vereinigten Staaten haben daher aufgehört, der Ukraine mit irgendetwas über politische Rhetorik hinaus zu helfen, während sie Kiew ermutigen, den Bürgerkrieg aufs ganze Land auszuweiten.
Das ukrainische Land muss brennen, nicht nur in Donetzk und Lugansk sondern auch in Kiew und Lvov. Die Aufgabe ist einfach: Die soziale Infrastruktur so weit wie nur irgend möglich zu zerstören und die Bevölkerung gerade so am Rand des Überlebens zu halten. Dann wird die Bevölkerung der Ukraine aus Millionen Hungernden, Verzweifelten und schwer Bewaffneten bestehen, die sich gegenseitig für etwas zu essen umbringen. Der einzige Weg, dieses Blutbad zu beenden, wäre eine massive internationale Militär-Intervention in der Ukraine (die Miliz alleine würde nicht ausreichen) sowie massive Geldzuwendungen, um die Bevölkerung zu ernähren und die Wirtschaft wieder aufzubauen, bis die Ukraine beginnen kann, sich wieder selbst zu ernähren.
Es ist klar, dass all diese Kosten zulasten Russlands gingen. Putin nimmt zutreffend an, dass hierdurch nicht nur das Staatsbudget sondern auch die öffentlichen Mittel im allgemeinen, einschließlich des Militärs, überfordert und vermutlich nicht ausreichend wären. Daher ist das Ziel, das Explodieren der Ukraine nicht zuzulassen, ehe die Miliz die Situation unter Kontrolle bringen kann. Es ist entscheidend, die Opferzahlen und Zerstörungen so gering wie möglich zu halten und möglichst viel von der Wirtschaft und der Infrastruktur zu retten, so dass die Bevölkerung irgendwie überleben und sich selbst von den Nazi-Verbrechern befreien kann.
An diesem Punkt taucht ein Verbündeter für Putin in Gestalt der EU auf. Da die Vereinigten Staaten immer versucht haben, europäische Mittel im Kampf mit Russland einzusetzen, erreicht die EU, ohnehin bereits geschwächt, den Punkt der Erschöpfung und muss sich ihren eigenen lange gärenden Problemen zuwenden.
Wenn Europa nun an seiner östlichen Grenze eine völlig zerstörte Ukraine hat, aus der Millionen Bewaffneter nicht nur nach Russland sondern auch in die EU fliehen und dabei nette Hobbies wie Drogenhandel, Waffenhandel und Terrorismus mitbringen, dann wird die EU nicht überleben. Russland allerdings hat mit der Volksrepublik NovoRossija einen Puffer.
Europa kann die Vereinigten Staaten nicht konfrontieren, aber es hat eine horrende Angst vor einer zerstörten Ukraine. Daher versuchen Merkel und Hollande  – das erste Mal in diesem Konflikt – nicht nur, die US-Forderungen zu sabotieren (indem sie Sanktionen verhängen, aber keine schlimmen), sondern sie unternehmen auch auch in begrenztem Umfang eigene Aktionen mit dem Ziel, einen Kompromiss zu erreichen – vielleicht keinen Frieden, aber wenigstens einen Waffenstillstand in der Ukraine.
Wenn die Ukraine in Brand gerät, dann brennt sie schnell. Und wenn die EU [aus USA Sicht] ein unzuverlässiger Partner wurde, der wenigstens eine neutrale Position einzunehmen gewillt ist – wenn auch nicht dazu bereit, ins russische Lager zu wechseln – wird Washington seiner Strategie zufolge verpflichtet sein, Europa in Brand zu stecken.
Es ist klar, dass eine Serie von Bürgerkriegen und Kriegen zwischen Staaten auf einem Kontinent, der voll mit allen Arten von Waffen ist und wo mehr als 1/2 Milliarde Menschen leben weitaus schlimmer wäre, als ein Bürgerkrieg in der Ukraine. Der Atlantik trennt die Vereinigten Staaten und Europa. Sogar England könnte darauf hoffen, die Lage jenseits des Kanals einfach auszusitzen. Aber Russland und die EU haben eine lange gemeinsame Grenze.
Es ist absolut nicht in Russlands Interesse, eine Feuersbrunst vom Atlantik bis in die karpathischen Berge zu haben, während das Gebiet von den Karpathen bis zum Dniepr noch schwelt. Daher ist es Putins anderes Ziel, soweit wie möglich die schlimmsten Auswirkungen eines Großbrandes in der Ukraine und in Europa zu verhindern. Da es unmöglich ist, ein solches Ergebnis komplett zu verhindern (wenn die Vereinigten Staaten einen Brand legen wollen, dann tun sie das [siehe z.B. “Gladio]), muss man in der Lage zu sein, einen Brand schnell zu löschen, um zu retten, was am wertvollsten ist.
So betrachtet Putin Frieden als äusserst wichtig, um Russlands legitime Interessen zu schützen, weil es Frieden ist, der das Erreichen dieses Ziels mit maximalem Effekt bei minimalen Kosten möglich macht. Aber weil Frieden nicht mehr länger möglich ist und die Waffenstillstände immer theoretischer und brüchiger werden, braucht Putin so bald wie irgend möglich ein Ende des Kriegs.
Aber ich möchte betonen, hätte man vor einem Jahr einen Kompromiss erreichen können, so wäre dieser zu den günstigsten Bedingungen für den Westen gewesen (Russland hätte seine Ziele immer noch erreicht, wenn auch etwas später, aber das wäre ein kleines Zugeständnis dafür gewesen); nun ist das nicht mehr möglich und die Bedingungen werden zunehmend schlechter. Zunächst bleibt die Situation dieselbe; Frieden zu fast allen Konditionen ist immer noch vorteilhaft für Russland. Nur eine Sache hat sich verändert, aber sie ist von höchster Bedeutung für Russland: Die öffentliche Meinung. Die russische Gesellschaft sehnt sich nach Sieg und Vergeltung. Wie ich oben aufgezeigt habe, ist russische Macht autoritativ und nicht autoritär; daher ist die öffentliche Meinung im Gegensatz zu den herkömmlichen [westlichen] Demokratien in Russland wichtig.
Putin kann seine Position als Pfeiler des Systems nur behalten, solange er die Unterstützung der Bevölkerungsmehrheit hat. Verliert er diese Unterstützung, dann wird das System seine Stabilität verlieren, weil die politische Elite noch keine personellen Alternativen von seiner Statur hervorgebracht hat. Aber Macht kann ihre Autorität nur so lange bewahren, wie sie erfolgreich die Wünsche der Massen verkörpert. Deshalb muss die Niederschlagung des Nazitums in der Ukraine, selbst wenn sie diplomatischer Natur sein sollte, klar und unzweifelhaft sein – nur unter dieser Bedingung ist ein russischer Kompromiss möglich.
Ungeachtet also der Wünsche Putins oder der Interessen Russlands wird in Anbetracht der Machtbalance insgesamt sowie der Prioritäten und Fähigkeiten der Protagonisten ein Krieg innerhalb der Ukraine, der bereits letztes jahr hätte enden sollen, nahezu sicher nach Europa hinüberschwappen. Man kann nur vermuten, wer effektiver sein wird – die Amerikaner mit ihrem Benzinkanister oder die Russen mit ihrem Feuerlöscher? Eines aber ist absolut klar: die Friedensinitiativen der russischen Führung werden nicht nur durch ihre Wünsche, sondern auch durch ihre tatsächlichen Fähigkeiten begrenzt sein. Es ist sinnlos, gegen den Willen des Volkes oder den Lauf der Geschichte anzukämpfen; aber wenn sie zusammenfallen, dann ist das Einzige, das ein weiser Politiker tun kann, den Willen des Volkes und die Richtung des geschichtlichen Prozesses zu verstehen und zu versuchen, das um jeden Preis zu unterstützen.
Die oben beschriebenen Umstände machen es extrem unwahrscheinlich, dass die Befürworter eines unabhängigen Staates NovoRossija ihre Wünsche erfüllt sehen werden. Angesichts des Ausmaßes der kommenden Feuersbrunst ist es nicht sonderlich schwierig, das Schicksal der Ukraine im Großen und Ganzen festzustellen, aber zugleich wird es nicht billig zu haben sein.
Es ist nur logisch, dass die Russen fragen: Warum müssen Russen, die wir vor den Nazis gerettet haben, die in NovoRossija leben, in einem eigenen Staat leben? Wenn sie in einem eigenen Staat leben wollen, warum sollte dann Russland deren Städte und Fabriken wieder aufbauen? Auf diese Fragen gibt es nur eine vernünftige Antwort: NovoRossija sollte ein Teil von Russland werden (besonders da es ja genug Kämpfer hat, wobei die herrschende Klasse problematisch ist). Nun, wenn ein Teil der Ukraine sich Russland anschließen kann, warum dann nicht das ganze Land? Besonders, da sich diese Frage im Lauf der Zeit stellen wird, wird die EU nicht länger eine Alternative zur Eurasischen Union sein (für die Ukraine).
Konsequenterweise wird die Entscheidung, sich Russland anzuschließen von einer vereinigten föderalen Ukraine getroffen werden und nicht von einem Gebilde ohne klaren Status. Ich denke, dass es verfrüht ist, die Grenzen neu zu zeichnen. Aber wenn die Vereinigten Staaten es schaffen, den Konflikt auf die EU auszuweiten (und sie werden es versuchen) wird die finale Auflösung der territorialen Fragen mindestens einige Jahre daueren und vielleicht auch länger.
Vom Frieden profitieren wir in jeder Situation. Unter Friedensbedingungen wird mit der wachsenden Grundlage russischer Ressourcen und mit neuen Verbündeten (ehemaligen Partnern der USA), die auf Russland Seite wechseln und während Washington zunehmend bedeutungslos wird, auch die territoriale Restrukturierung weitaus einfacher und zeitweise weniger bedeutsam, besonders für die davon betroffenen Länder.
Quelle: http://vineyardsaker.de/ukraine/was-will-putin-eine-grundlegende-analyse-von-rostislav-ishchenko-muss-man-lesen/http://www.politaia.org/politik/europa/was-will-putin-eine-grundlegende-analyse/

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