Auch Los Angeles muss sparen: Der Bundesstaat Kalifornien kann ein Drittel seines Budgets nicht finanzieren. |
Den US-Staaten fehlen 125 Milliarden Dollar, einige stehen kurz vor der Pleite. Kalifornien und Texas geht es besonders schlecht.
Dieser spiegle genau jene betrügerischen Praktiken wieder, die er als Generalstaatsanwalt in der Privatwirtschaft bekämpft habe, schrieb Cuomo vor wenigen Tagen in einem Zeitungsbeitrag. Zehn Milliarden Dollar fehlen Cuomo, um einen ausgeglichen Haushalt vorzulegen, wozu er laut Verfassung verpflichtet ist. So stark müssten die Einnahmen steigen oder die Ausgaben sinken. Letzteres ist auf Grund der Nachwehen der Rezession kaum möglich. Die Steuern kann er auch schlecht anheben, da dies dem zaghaften Aufschwung schaden könnte.
Der Ausweg aus dem Dilemma ist bislang sein Geheimnis. Und so fühlt
man sich unweigerlich an die 70er Jahre erinnert, als die „NY Daily
News“ auf der Titelseite Präsident Gerald Ford zitierte. Dieser soll
Hilfsgelder an New York angeblich mit den Worten ausgeschlossen haben:
„Drop Dead“, was so viel bedeutet wie „dann geh eben zu Grunde.“ Ob sich
Amerika traut, seine klammen Bundesstaaten zu Grunde gehen zu lassen,
ist heute wieder die Frage. Bislang kam es erst einmal in der Geschichte
der USA dazu. 1933 konnte Arkansas seine Schulden nicht mehr bedienen
und wurde für zahlungsunfähig erklärt.
Glaubt man Newt Gingrich, dem potenziellen Präsidentschaftskandidaten
der Republikaner, war das keine schlechte Idee. Der ehemalige Sprecher
des US-Repräsentantenhauses sorgte vor wenigen Wochen für helle
Aufregung in Washington, als er diesen Vorschlag ernsthaft vorbrachte.
Seine Landsleute hätten genug davon, mit Steuergeld für andere aufkommen
zu müssen, seien es Banken, Unternehmen oder nun eben strauchelnde
Bundessaaten wie Kalifornien und Illinois.
Noch fehlt ihm dafür die politische Unzerstützung. Noch wird diese Idee
regelmäßig so schnell verworfen, wie sie ausgesprochen wurde. Doch noch
haben nicht alle Staaten ihr Budget verabschiedet. Erst dann wird ihre
dramatische Finanzlage offenbar werden. „Es ist sicherlich nicht
wünschenswert, aber am Ende könnte es darauf hinauslaufen, auch
Bundesstaaten Pleite gehen zu lassen“, sagt Ronald Mann von der Columbia
Universität in New York. Er zählt zu den wenigen Befürwortern dieser
Idee. „Eine Insolvenz ist schließlich kein Grund, alle
Zahlungsverpflichtungen einfach zu streichen. Sie ist vielmehr eine
Chance, die Parteien an den Verhandlungstisch zurück zu bringen.“
In den US-Gemeinden spielt sich ein Drama ab
Normalerweise geht man auf die Bundesebene, um den Zustand der Staatsfinanzen zu beschreiben. Hier rechnet der parteiunabhängige Rechnungshof des Kongresses (CBO) mit einem Fehlbetrag von 1,48 Billionen Dollar, so viel wie nie zuvor in der Geschichte der Vereinigten Staaten und knapp zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das ist schlimm, aber eher ein langfristiges Problem. Unmittelbar zu spüren bekommen die Menschen jedoch, wenn die Finanzen der Bundesstaaten und Gemeinden außer Kontrolle geraten sind.
Denn aus diesen Budgets werden Feuerwehr Polizei, Schwimmbäder und
Bibliotheken bezahlt. Hier spielt sich für die Amerikaner derzeit das
eigentliche Drama an. Denn fürs Haushaltsjahr 2012, das für die meisten
am 1. Juli beginnt, schätzt das Center on Budget and Policy Priorities
(CBPP) die Lücke auf fast 125 Milliarden Dollar. Dabei hat Amerika in
den vergangenen Monaten fast erleichtert auf Europa geblickt. Die
Finanzkrise hatte zwar ihren Ursprung in den USA. Doch zuletzt sah die
Lage in Europa deutlich schlechter aus.
So musste Griechenland im April 2010 um Notfallkredite in Höhe von 110 Milliarden Euro bitten. Das einstige Vorzeigeland Irland musste sich unter den Rettungsschirm der EU flüchten. Und wie es mit Portugal, Spanien und Italien weiter geht, ist noch unsicher. Wie viel stabiler erschienen dagegen die USA, in denen kein Bundesstaat darum bangen muss, wegen unsolider Finanzen aus dem Staatenbund verstoßen zu werden. Besonders schlecht stehen dort momentan Kalifornien und Texas da, die jeweils ein Drittel ihres Budgets nicht finanzieren können.
In Nevada und Illinois sind es sogar 45 Prozent. Ihnen macht die nur auf
dem Papier überstandene Rezession zu schaffen. „Die Steuereinnahmen der
Staaten sind stark konjunkturabhängig“, so US-Analyst Bernd
Weidensteiner von der Commerzbank. Sie seien während der Rezession so
sehr zurückgegangen wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr und hätten
ihr altes längst nicht wieder erreicht. Im kommenden Jahr wird es für
die Staaten noch unangenehmer, da dann größere Zuweisungen aus dem
Konjunkturpaket wegfallen. Sie sind darauf angewiesen, dass die
Wirtschaft stark anzieht.
Aber selbst dann haben sie ihr Hauptproblem nicht gelöst – die Pensionen
für die ehemaligen Staatsbediensteten. Noch vor zehn Jahren hatten sie
dafür ausreichend Mittel. Doch nach Schätzung von Weidensteiner ist der
Deckungsgrad, der das Verhältnis der Aktiva zu den Verpflichtungen
wieder gibt, auf etwa 78 Prozent im Jahr 2009 gefallen. So groß ist die
Lücke, die nicht durch die vorhandenen Mittel geschlossen werden kann.
Dass dieses Problem so einfach durch ein Insolvenzverfahren
verschwindet, wie es sich Newt Gingrich vorstellt, ist unwahrscheinlich.
Anders als Bundesstaaten können Städte, Gemeinden und Landkreise auch
bisher schon Insolvenz nach Kapitel neun des amerikanischen
Insolvenzrechts beantragen. Doch läuft dies deutlich anders ab als der
Sanierungsprozess, den etwa der Autokonzern General Motors im Sommer
2009 vollzog.
„Der Fall landet zwar ebenfalls vor dem Insolvenzrichter, aber der kann
nur sehr wenig Einfluss nehmen“, sagt James Spiotto von der
Anwaltskanzlei Chapman and Cutler in Chicago. „Anders als in der
Privatwirtschaft kann er den Gouverneuren nicht vorschreiben, wie sie
die Finanzen in Ordnung bringen sollen.“ Dazu kommen erhebliche
Nebenwirkungen. Die Risikoaufschläge auf die Anleihen der Bundesstaaten
würden drastisch steigen. Sich zu verschulden würde für die Staaten
dadurch viel teurer.
Arkansas ging als einziger Staat je pleite
Daher schrecken selbst Städte und Gemeinde in der Regel vor diesem letzten Schritt zurück. Das jüngste Beispiel ist Vallejo in Kalifornien. Die 121.000 Einwohner große Stadt in der Nähe von San Francisco kapitulierte 2008 und meldete Insolvenz an. Hier war der öffentliche Haushalt völlig außer Kontrolle geraten. Polizisten und Feuerwehrleute konnten mit 50 Jahren in Rente gehen und bekamen weiterhin 90 Prozent ihres Gehaltes bezahlt. Das gleiche galt für die Ehepartner.
Ein Polizist in gehobener Stellung kam in Vallejo auf ein sehr
ordentliches Jahresgehalt von 300.000 Dollar, ein Feuerwehrmann auf
171.000 Dollar. Da die Stadtverwaltung keine Möglichkeit sah, diese
Verträge in Verhandlungen zu verändern, wählte sie schließlich die
Insolvenz. Im vergangenen Monat legte die Stadt ihren Sanierungsplan
vor. Er sieht Kürzungen bei Gehältern und Abstriche bei der
Gesundheitsversorgung der Pensionäre vor. Von den 50 Millionen Dollar,
die Vallejo noch schuldet, wird die Stadt wohl nur ein Zehntel bedienen.
Der einzige Bundesstaat, der je Pleite ging, war Arkansas. Der Staat
verschuldete sich in den 20er Jahren stark, um Straßen für die gerade
aufstrebende Autoindustrie zu bauen. Als der Mississippi in Folge eines
Hochwassers über die Ufer trat und nicht nur ein Drittel der neu
gebauten Straßen überschwemmte sondern mit den Baumwollfeldern auch die
wichtigste Einnahmequelle vernichtete, war Arkansas am Ende.
Der Staat konnte seine Schulden nicht mehr bedienen. Dieser Erfahrung war Arkansas wirtschaftlich um Jahre zurück. Erst 1949 wurde die wieder eine Anleihe zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten aufgelegt.
Der Staat konnte seine Schulden nicht mehr bedienen. Dieser Erfahrung war Arkansas wirtschaftlich um Jahre zurück. Erst 1949 wurde die wieder eine Anleihe zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten aufgelegt.
Ob Präsident Ford tatsächlich die Worte „drop dead“ gebraucht hat, als
New York 1975 kurz vor der Pleite stand, ist umstritten. Fest steht,
dass der klamme Bundesstaat zwei Monate später Geld aus Washington
bekam. Ford jedoch wurde nicht wieder ins Weiße Haus gewählt und schob
dies später auch auf jene unglückliche Formulierung, die er so
vielleicht gar nicht gebraucht hat.
Newt Gingrich mag daher sicherlich vielen Landsleuten aus der Seele sprechen, wenn er die Bundesstaaten mit ihren finanziellen Problemen alleine lassen will. Politisch nützen wird es ihm kaum.
Newt Gingrich mag daher sicherlich vielen Landsleuten aus der Seele sprechen, wenn er die Bundesstaaten mit ihren finanziellen Problemen alleine lassen will. Politisch nützen wird es ihm kaum.
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