Es ist ja gerade überall Aufruhr – in Ägypten, in Tunesien, in der FAZ. In der FAZ? Ja, dort malt ein Autor ein fürchterliches Schreckgespenst an die Wand:
Ein Aufstand der Massen gegen die Eliten, die diese Länder
bisher zu unser aller Wohl stabilisiert haben. Nachdem in Tunesien
bislang auch keine Synagogen angezündet wurden, muss die reiche, von den
bisherigen Regierungen bevorzugte Oberschicht nun einsehen: Noch nicht
mal die üblichen Sündenböcke der Region, sondern sie selbst sind mit der
Empörung von Leuten, die ihre Töchter nicht in Paris einkleiden lassen,
wohl gemeint.
Kann der tunesische Hass auf die Leistungseliten und ihre zu
unser aller Wohle gefestigte Stellung auch nach Europa hinüberschwappen?
Schaue ich mir manche Kommentare – viele Kommentare – auf den Internetseiten großer Zeitungen an, dann muß ich feststellen: der Hass ist schon längst da und wird ganz offen und unverblümt geäußert. Die schrumpfende Zustimmung zur Demokratie kommt ja nicht von ungefähr. Nun gut – wir haben Aufschwung. Sagen ja alle. Ein Blick in die Sonntagszeitung reicht, um zu sehen: es gab noch nie so viele 400-Euro-Jobs wie bisher, immer mehr zahlen sogar nur 325 Euro, was wahrscheinlich wieder mit irgendwelchen arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen zusammenhängt, die man als Normalmensch schon gar nicht mehr versteht.
Auch die akademische Welt – unsere große Hoffnung im Kampf gegen den “Fachkräftemangel” – wird zu diesen Preisen verheizt, wie die Allgemeine Zeitung schreibt:
Für viele junge Wissenschaftler ist der Traumjob an einer deutschen Universität zum Albtraum geworden. Grund: Ihnen werden oft nur Zeitverträge angeboten, die ihnen keine längerfristige Lebensplanung ermöglichen.
Da geht es unserer Leistungselite doch wie allen anderen. Man wird zum Tagelöhner und die Politik findet das gut, so jedenfalls steht es im Handelsblatt:
Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, hat die Zeitarbeit gegen Kritik verteidigt. Zugleich kündigte er eine Überprüfung aller Arbeitsmarktprogramme an. Dass sich bei der Zahl der Leiharbeiter 2011 ein neuer Höchststand abzeichne, finde er grundsätzlich gut.
Nun – um sein Gehalt, die Gehälter und Mieten seiner Behörde und seine Arbeitsmarktprogramme zu bezahlen, verschuldet sich der deutsche Staat ja täglich mehr, weil die Leistungselite in der Wirtschaft und Politik halt mal wieder völlig bei dem Aufgabengebiet “Vollbeschäftigung” versagt hat. Da kann er gut Sprüche klopfen, er muß sich nicht auf dem kargen Markt zu Dumpingpreisen verdingen, in der Hoffnung, dadurch den eigenen “Maßnahmen” zu entkommen. Vielleicht spendet es ein wenig Trost, das es den neu nach Deutschland flutenden Fachkräften auch nicht besser geht, so Presseurop:
Die Auswanderung junger spanischer Hochschulabsolventen nach Deutschland ist bereits eine Realität: Tausende von ihnen arbeiten in Berlin, oftmals in prekären Teilzeitstellen. Und wenn der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, Michael Fuchs, erklärt: „Zahlreiche junge Menschen in Süd- und Osteuropa sind ohne Arbeit“, dann rennt er nur offene Türen ein.
Warum macht man so etwas? Wieso öffnet man die Zugänge zu einem Arbeitsmarkt so weit, der sowieso schon Überkapazitäten hat, die keiner mehr bezahlen will?
Nun – ich denke, man schaut wirklich nach Tunesien, nach Ägypten, nimmt die Rufe nach Revolte ernster als man denkt. Es wird nicht mehr lange dauern, da werden die Bürger merken, das das Dschungelcamp großflächig das neue Modell Deutschland darstellt und man sich den Kammerjäger zwecks Insektenvertilgung sparen kann: man wird die kleinen Eiweißlieferanten für die Ergänzung des deutschen Speiseplans brauchen, da normales Essen laut Welt immer unbezahlbarer wird:
Tomaten kosteten im Dezember rund die Hälfte mehr als noch ein Jahr zuvor, bei Paprika und Blumenkohl betrug das Plus rund 40 Prozent, Gurken, Nüsse, Wirsing, Kartoffeln, Zwiebeln – überall legte der Preis 25 bis 30 Prozent zu. Gemüse insgesamt wurde um 17,5 Prozent teurer, Obst knapp acht Prozent – innerhalb von gerade mal zwölf Monaten. Ist das keine Inflation?
Wenn das Essen unbezahlbar wird, dann … werden wohl auch die Deutschen zunehmend bargeldlos einkaufen – aber nach dem Modell Tunesien. Folgt man dem Plädoyer der Befürworter einer Kindergrundsicherung – hier zitiert bei scharf-links – ist die Armut bei uns schon längst viel weiter bei uns verbreitet als uns lieb ist:
Die hohe Dunkelziffer bei der heutigen sozialen Sicherung wird beseitigt bzw. unbekämpft bleibende Armut vermieden. Denn viele Menschen nehmen ihnen zustehende Geldleistungen im Rahmen von Hartz IV oder Kinderzuschlag aus Unwissenheit oder aus Scham nicht in Anspruch, selbst wenn diese als suboptimale Lösung erhöht werden sollten.“
Damit fallen die auch aus allen Statistiken heraus, die selbst schon bedrohlich genug wirken – trotz aller kosmetischen Schrumpfkuren der letzten Jahre.
Aufruhr in Deutschland?
Ohne Weiteres denkbar. Wir hatten ihn schon mal. Ich denke … wenn es wieder Uniformen für die Aufrührer gibt, zusätzlich eine warme Mahlzeit und ein warmes Nachtlager, dann wird es schon wieder einen Sturm geben können. Wie üblich würden zornige arme Menschen in den Uniformen stecken, Menschen, die schon jetzt wenig Verständnis für Stuttgart 21, Betrügerboni oder Maßnahmen der Arbeitsagentur haben. Lustig würde das trotzdem nicht werden, wahrscheinlich wird man wieder die Arbeitslosenquote durch physische Ausrottung der Arbeitslosen senken – aber vielleicht kommen ja mangels Mitbürgern jüdischen Glaubens diesmal auch Funktionsträger des Lobbyistensumpfes unter die Räder.
Auf jeden Fall ist die Stimmungslage der Lumpenelite gedämpfter – auch außerhalb Ägyptens. Wie es aussieht, befürchten die noch Schlimmeres, wenn man dem Manager-Magazin Glauben schenken darf:
Dies ließ sich am Sonntag bereits an den Handelsplätzen der Region beobachten, wo die Kurse auf breiter Front ins Rutschen kamen. An der Spitze der Talfahrt der arabischen Börsen lag der Index in Dubai mit einem Fall von 4,3 Prozent. Er erreichte damit den tiefsten Stand des vergangenen halben Jahres. Auch in Katar gab der Leitindex um 3 Prozent nach. In Oman und Abu Dhabi verloren die Kurse bis zum Handelsschluss 3,0 beziehungsweise 3,7 Prozent.
Ein bischen viel Panik angesichts solcher kleinen nationalen Revolten, oder? Aber … die haben ja auch Herrschaftswissen, während ich nur rätselnd und staunend vor der Historie stehe.
Könnten wir normalen Bürger, die wir noch eher soziale Gemeinschaftswesen als asoziale Räuber sind, nicht ganz schnell noch die Notbremse ziehen? Führen erstmal den Taler wieder ein, als regionale Währung für regionale Produkte, erklären unsere Regionen zu unabhängigen Kleinstaaten, lassen die Berliner Republik auf ihren Schulden sitzen und bauen unsere Wirtschaft erstmal wieder ganz von vorne auf. Müßte ja auch ohne Krieg gehen. Wir hätten sofort Vollbeschäftigung, volle Kassen und supergute Laune, unsere Kinder hätten eine ökologisch gesicherte Lebensperspektive auf höchstem Bildungsniveau und alle zusammen wieder mehr Sinn, Spaß und vor allem: Zukunft im Leben.
Wäre doch irgendwie spannender als den Rest seines Lebens damit zu verbringen, sich Programme anzuschauen, die so flach wie die neuesten Bildschirme sind. Vielleicht wäre es schöner, mit den Nachbarn zusammen die Autobahnen der Lumpenelite (und des österreichischen Führers) zurückzubauen, um Ackerland für Biokartoffeln zu gewinnen. Das wäre mal echtes Leben anstelle der virtuellen Lebenskrücken.
Das ginge auch alles ganz friedlich, ohne großes Blutvergießen. Und ich glaube – das ist viel eher die deutsche Art der Revolution. War ja 1989 auch so. Damals gegen die Gemeinschaftslumpen, diesmal … gegen die Hochleistungslumpen.
Also … wie wär´s? Morgen früh mit Spitzhacken um 6.oo Uhr auf der A1? Wäre doch schon mal ein Anfang. Aber … vielleicht ist das auch verboten. Ich sollte erstmal nachschauen …
Mal im Ernst – was sollte uns Deutsche daran hindern, uns auf friedlichem Wege die Bonner Republik zurückzuerobern, eine Republik, die mehr Demokratie wagen wollte und auf dem besten Wege war, die dunklen Schatten der Deutschen Geschichte weit hinter sich zu lassen um in die Ruhmeshalle der Vorbildstaaten aufgenommen zu werden. Was … sollte uns wirklich daran hindern, das einfach Morgen zu beginnen?
So sehr ich inhaltlich aus Otto-Normalverbraucher-Sicht die Problematik sehen und nachvollziehen kann, so sehr offenbart sich etwas , dass ich betreffs vieler Gruppen und Initiativen die sich gegen Stasi 2.0 und Kooperatismus wehren (sei es Erwerbslosenforen,Polit-Stammtische etc.):
AntwortenLöschenDie wollen alle bloss die Mauer wiederhaben !(sinngemäß nach dem Spruch aus den Neunzigern).
Sie glauben immer noch an die Versprechungen des "demokratischen" Wirtschaftswunderlands mit Vollbeschäftigung, sozialer Marktwirtschaft und Rente, schaffe, schaffe Häusle baue etc.Sie möchten , "dass es wieder so wird wie früher"...
Entschuldigung, aber habt Ihr Sie noch alle ?
Hallo? Finito! Aus! Schluss! Vorbei !
Es wird nicht mehr so "wie früher" und ehrlich auch wenns nun knallen und wehtun mag : Es ist das Beste (in diesem Zusammenhang) was uns passieren kann - was wäre die Alternative `?
Sturm auf die Bastille 2.0 ? Alles auf die Guillotine was nach "Adel" riecht ?
Was kam denn danach ? 250 Jahre "Aufklärung" die uns direkt an den Abgrund geführt haben.
Mann, mann unser größter Feind sind wirklich Traditionen, Routinen und Rituale - die Eckpfeiler des "Hamsterrad-Systems".
Ich glaube kaum , dass sich DAFÜR viele Aktivisten und Engagierte die Finger wundschreiben....
Nicht noch einmal bitte !
Das ganze monetäre System MUSS WEG - SOFORT!
rugay
Nachtrag:
AntwortenLöschenAuch wenns knallt: Wir wissen nicht was kommen mag.Wir können nur wachsam sein und ich stimme zu, friedvoll bleiben und friedvolle nachhaltige Lösungen suchen (zumindest sofern man uns noch eine Wahl lässt bzw. wir diese Wahl treffen), wachsam sein im Sinne wer warum die Fäden zieht und z.B. gerne wieder Guillotinen aufstellen möchte - mit dem Althergebrachten wie "jetzt wird wieder i. d. Hände gespuckt um das BSP zu steigern" tut man genau das was dem Hamsterrad und den Schiffsschaukelbremsern i. d. Kram passt.
Unsere Verantwortung reicht weeeeiiit drüber hinaus.
Schuldigung, wenn ich etwas grantig reagiere aber ich kann diese unbewusst mitgeschleppte "Manipulations-Syntax/Semantik", also Kontrollmechanismen die sich bis hinunter in unsere Sprache hinein-assimiliert haben nicht mehr ertragen.
Das ist einfach nur dumm.
rugay