Russlands Übergang auf die Nationalwährung ist im Finale
Die
5. Kolonne jubelt, ukrainische Medien brüllen vor lauter Freude.
Endlich! Die russische Wirtschaft ist am Ende. Noch ein wenig und die
Preise werden hoch schnellen, die Gehälter – runter, Sozialleistungen
ins nirgendwo. Und das alles mit dem Hintergrund eines dramatischen
Mangels im Handel an Parmesan, Muscheln und polnischen Äpfeln,
verfallenen Reisen nach den Malediven und Bahamas. Endlich wird die
Geduld des Volkes platzen. Und dann wird die langerwartete Revolution,
das autoritäre Regime des gehassten Putins wegfegen und das
vielgeschlechtliche Reich der ewigen und sehr liberalen Demokratie
etablieren…
Verträumtheit ist eine der Besonderheiten der russischen Opposition
(falls man sie so bezeichnen kann, und nicht als Ansammlung von allen
unzufriedenen Losern, Asozialen und Illegalen). Im endlosen Fluss von
Interviews, Artikeln, Aussagen geben Nemzov, Chodorkowski, Rabinovich,
„Echo Moskaus“ mit grenzenloser Begeisterung das Gewünschte für das
Reale aus. Wenn die Hälfte ihrer Prognosen je in Erfüllung gegangen
wäre, hätten wir schon wieder mit Steinen und Stöcken gekämpft. Zum
Glück ist die 5. Kolonne nicht imstande, ihre sensiblen Ideen zu
materialisieren.
Aus den Wolken dieser blauen Träume zu fallen, tut natürlich weh, aber
es ist notwendig. Denn man muss anerkennen, dass unsere, von allen
Wassern gewaschenen Bürger kaum in Hysterie verfallen werden – allein
von einem schönen Verhältnis Euro zu Rubel 1:100. Diese Währungskurse
gehen sowieso nichts die Mehrheit der Bevölkerung an. Und sie werden es
auch nicht schaffen, das Leben der Mehrheit wesentlich zu
beeinträchtigen. Diejenigen aber, die die Wechselkurse direkt tangieren,
wurden vorzeitig gewarnt, nicht in Panik zu verfallen und ruhig in
einer stillen Ecke abzuwarten, weil der Sturm rapide kam und einfach
nicht lange bleiben kann.
Es ist sinnlos, die Ereignisse auf dem russischen Finanzmarkt versuchen
zu verstehen ohne Zusammenhang mit dem Weltbild. Der heutige Fall des
Rubels ist eine Kulmination, ein Höhepunkt eines langen Währungs-Romans.
Sein Anfang steckt in der Tatsache, dass der Dollar keine Golddeckung
hat. Somit sind die Amerikaner darauf angewiesen, immer und überall
irgendwo einen Krieg zu führen. Auch einen Finanzkrieg, um ihre
Druckmaschine ganz schön fit zu halten. Diese Entwicklung ähnelt sehr
einer hochqualitativen Seifenoper, wo gute Zeiten und schlechte Zeiten
abwechelnd verlaufen, wo alte Darsteller gehen und neue kommen. Der Kern
von all solchen Geschichten ist immer eine Konfrontation zwischen den
Guten und den Bösen, die allmählich steigt und am Schluss in einem
tödlichen Kampf ausrastet.
Die neue Business-Elite unterscheidet sich von den alten Herren des
Bilderberger-Vereins, die sichtlich noch nicht ganz zum Leben von ihren
Injektionen erweckt sind. Die Neuen haben diese Initiative Russlands
bejubelt. Wer daran zweifelt – siehe die Videoaufnahmen des Treffens von
Wladimir Putin mit Christine Lagarde (geschäftsführende Direktorin des
Internationalen Währungsfonds – IWF). Sie wendet sich an ihn, als wäre
er das Allheilmittel in letzter Instanz.
Es sieht so aus, dass bei solchen Treffen die Währungsfrage viel
ausführlicher besprochen wurde, als es der Öffentlichkeit bekannt
gegeben wurde. Mit dem Hintergrund von Putins Weltreisen, haben Dollar
und Euro angefangen, langsam zu steigen, um am Ende seiner Tournee
(Rückkehr aus Indien) einen Sprung in die Höhe zu machen. Der Schock vom
Fall des Rubels und das geschickte Mitspiel aller in diesem Spiel haben
Eingeweihte einige Momente absolut verschleiert, die eigentlich gar
nicht mit dem Krach russischer Wirtschaft übereinstimmten:
Finanzleute haben von vornerein konstatiert: Es gibt eine
offensichtliche Unstimmigkeit zwischen dem Fall des Rubels und dem
Ölpreis. Es gab auch keine Firmenpleiten oder Arbeitslosigkeit. Das
alles besagte, dass das Volk entweder isoliert worden ist, um sein Leid
zu vermeiden oder gewarnt wurde, damit es sich keine Dummheiten zum
eigenen Schaden antut.
Die Behauptung über Spekulanten, die den Rubelkurs gestürzt haben, ist
auch ein Fake gewesen. Welche von denen wären imstande, den Kurs zu
verdoppeln – schon gar nicht in solch riesigem Land wie Russland. Oder
sind sie alle etwa Rothschilds? Außerdem wäre es kein Problem, sie alle
ausfindig zu machen und sie – schon nach der Steigerung des Dollars um
ein paar Punkte – an den Ohren aus der Affäre zu ziehen. Und wenn das
nicht gemacht wurde, bedeutet das, dass jemand sie noch ein bisschen
„spielen“ lassen will.
Die Regierung Russlands könnte ohne große Mühe den Rubelkurs aufhalten,
wie es in Kasachstan und Aserbaidschan gemacht wird. Aber dafür müsste
man die Saatsreserven preisgeben, was die „Berater“ aus Übersee erwartet
haben. Und wir wissen doch – falls der Gegner uns zu irgendetwas
zwingt, darf man das auf keinen Fall machen.
Vor dem „schwarzen Dienstag“ wurde angekündigt, dass China und
Kasachstan nur mit ihren Währungen arbeiten werden. Somit hat die aktive
Phase angefangen.
Man muss sagen, dass in seriösen westlichen und besonders amerikanischen
Medien man kein Jubel aus gegebenen Anlass feststellen konnte.
Erfahrene Kapitalisten – im Unterschied zu unserer 5. Kolonne mit Nemzov
und Navalnii an der Spitze – haben irgendwie den Braten gerochen. Denn
Putin konnte den Dollar auf ein ständiges Niveau halten, hat er aber
nicht gemacht. Warum?
Ganz einfach – weil er (Putin) ihn (Dollar) nicht mehr braucht. Beim
Übergang auf die neue Währung stellt sich die Frage: wohin mit der
alten? Wenn sie nicht mehr gefragt ist, verliert sie schleunigst an
Wert. Wie vermeidet man das?
Unsere Partner vergessen immer, dass Putin immerhin viele Jahre Judo
macht. Deswegen weiß er, um den Gegner zu überwältigen, muss man seine
eigene Kräft dafür ausnutzen. So tun, als würden uns die Sanktionen
tatsächlich schaden, wodurch der Rubel fällt. Ganz nebenbei, die Infos
unauffällig zerstreuen, dass jeder Schuss in der Ukraine und jeder
verbilligte Barrel den Dollar und den Euro steigen lassen. Und wenn alle
Beteiligten dieses Schauspiels vorbereitet und gewarnt sind, kann man
den letzten Part starten.
„Rosneft“ liefert Anleihen für die riesige Summe von 625 Milliarden
Rubel. Das wurde natürlich absichtlich gemacht, denn den Igor Sechin
(einer der besten Freunde des Präsidenten) in einem bewussten
Zusammenbruch der nationalen Währung zu verdächtigen, ist wirklich nur
dumm. In der Nacht erhöht Frau Nabiullina (Chefin von der RB-Russischen
Bank – T. P.) die Zinsen quasi als Reaktion auf den Rubelüberfluss. Und
schon ist der Punkt erreicht! Die berüchtigten Geschäftsleute sahen
darin die Unsicherheit der Regierung, schrien vor lauter Begeisterung
auf und rannten, die so „wertvollen“ Dollars und Euros abzukaufen. Eine
Menge Rubel flossen aus den privaten Taschen in die staatlichen. Das
Volk ist ratlos, die Liberalen feiern und Treasury bekommt unglaubliche
Mengen an Rubel.
Am Ende sind wir die Zeugen eines glänzenden Schauspiels geworden. Mit
dem Vorsatz, die neue Währung zu übergehen, befreit sich der Staat –
elegant und mit großem Gewinn – von den unnützlichen Dollars und Euros.
Dabei verkauft er sie nicht für nichts, sondern für sehr guten Wert. Am
anderen Tag fallen natürlich Dollar und Euro wie erwartet.
Was ist jetzt mit denjenigen, die Euro und Dollar so billig gekauft
haben? Mir steht immer noch Putins Schmunzeln vor den Augen, als er
gesagt hat, dass die Spekulanten festgestellt und bestraft werden. Ist
da jemand, der immer noch nicht verstanden hat, dass W.W.P. (Putin)
alles hält, was er verspricht? Jetzt können sie mit diesen Dollars ihre
Wände tapezieren. „Das Recht auf Dummheit ist eine Garantie der freien
Entwicklung einer Persönlichkeit“ (Mark Twain).
Diese Operation ist nur auf den ersten Blick so einfach. In Wirklichkeit
erfordert so eine schwindelerregende Pirouette auf der Spitze der Nadel
erstens eine Supertarnung. Zweitens, gewisse schauspielerische
Fähigkeiten aller Beteiligten. Drittens, subtile psychologische
Berechnung. Viertens, den richtigen Zeitpunkt zu wählen. Fünftens,
titanische Vorarbeit. Sechstens, sorgfältige Abwägung aller Details. Nur
wenn alle Faktoren stimmen, ist der Erfolg möglich.
In diesem Zusammenhang erscheint der Verzicht auf „Southstream“ in ganz
anderem Licht. Für was Druck auf die EU machen, die sich so quer stellt,
wenn wir sowieso nicht mehr in Euro handeln? Sie sollen in der Türkei
kaufen, was sie wollen. Sie hätten rechtzeitig kapieren sollen, dass mit
Putin zu streiten, einem Selbstmord gleicht.
Man muss nochmal betonen, dass der Übergang auf Nationalwährungen eine
Notwendigkeit der ganzen Welt ist. Und da gibt es kein Diktat aus dem
Kreml, keine persönliche Präferenzen oder berüchtigte „imperiale
Ambitionen“. Es ist an der Zeit, alle subjektive Dummheiten bei Seite zu
legen – die Situation dafür ist zu ernst! Wenn Putin Ihnen etwas
vorschlägt, nicken Sie schnell ab. Andernfalls werden Sie morgen
gezwungen, seinen Weg doch zu gehen, aber unter den viel schlechteren
Bedingungen. Entweder gehen Sie ihm hinterher, oder Sie sind selber
Schuld.
Nun stellen Sie sich die Position des amerikanischen Hegemons vor,
nachdem Südamerika, Afrika, China, Indien, die Türkei seinem Dollar
entgleist sind. Die verarmten Länder der GUS wird niemand fragen, weil
sie selbst – wie an der Schnur gezogen – hinterher folgen werden.
Stellen Sie sich ein Haufen nutzloser Papierdollar vor, die keiner mehr
braucht. Sie müssen irgendwie entsorgt werden. Versetzen Sie sich in die
Lage amerikanischer und europäischer Firmen, die für alle Ewigkeit an
der Südgrenze Russlands in Aserbaidschan, Kasachstan und Kirgisien sich
eingenistet haben. Plötzlich werden sie mit der Notwendigkeit
konfrontiert, diese so sichere und immer gefragten Dollars und Euros
gegen irgendwelche Häschen und Welschen zu tauschen. Und lange wird der
arme, von niemandem mehr gefragte Dollar mit seinen grau-grünen Augen
weinen, und sich jedem als Tapete anbieten. Einen solchen Albtraum hat
noch nie jemand geträumt!
Es gibt eine Regel im östlichen Kampf: Man darf nie denselben Schlag
zweimal anwenden. Sonst weiß dein Gegner, was ihn erwartet und wird
dafür bereit sein. Und dich erwartet eine schmähliche Niederlage. Die
UdSSR wurde unter anderem durch den Ölpreisverfall zerstört. Aber
erwarte nicht, dass dasselbe wieder passiert. Das, was mit Jelzin und
Gorbatschow funktioniert hat, wird mit Putin nicht funktionieren –
allein schon deswegen, weil er das weiß.
Solche Spiele sind natürlich extrem gefährlich. Aber W.W. Putin hat
öfters gesagt, dass die Ratings für ihn nicht interessant sind. Und
sonst werde ich nicht das Gefühl los, dass das erst der Anfang eines
großen Mysteriums auf dem Weg der Welterneuerung ist. Wie werden wir
dabei sein? Als Führer? Teilnehmer? Zuschauer? Opfer? Wahrscheinlich
hängt das von uns ab.
Autorin: Julia Bragnikowa
Übersetzung: Tatjana Paustenbach
Link zum Russischen Originaltext: http://pr-akademia.ru/content/padenie-rublya-razvyazka-grandioznogo-spektaklya-finalom-kotorogo-stanet-perehod-rossii-na Quelle: Bürgerstimme.com
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