Syrien: Besuch im Vorort von Damaskus, in dem Hunderte Menschen starben
Von Karin Leukefeld
Leichen in Daraja – wer die Menschen getötet hat,
ist unklar
Foto: Reuters
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Eine Frau, die er in ihrer Wohnung ohne Armeebegleitung sprechen konnte, schilderte, daß sie an einem Tag allein zehn Leichen auf der Straße habe liegen sehen, als die Armee noch gar nicht in der Stadt, diese also noch unter Kontrolle der bewaffneten Gruppen gewesen sei. Ein anderer Mann berichtete, die meisten Toten seien Wehrpflichtige und Regierungsangestellte gewesen. Ein Mann habe bei der Post gearbeitet. »Er wurde getötet, weil er für die Regierung gearbeitet hat«.
Offenbar war tagelang über den Austausch von Gefangenen zwischen den bewaffneten Aufständischen und der syrischen Armee verhandelt worden. Dabei sollten Zivilisten und Soldaten, die von den Aufständischen entführt worden waren, ausgetauscht werden gegen Personen der »Freien Syrischen Armee«, die sich in staatlicher Gefangenschaft befanden. Als die Verhandlungen scheiterten, entschied die Armee, den Ort zu stürmen. Offiziell gibt es weder von den bewaffneten Aufständischen noch seitens der Armee eine Bestätigung über den mißlungenen Gefangenenaustausch. Ähnliche Berichte wie aus Daraja gibt es jedoch auch aus anderen Orten Syriens.
Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu forderte unterdessen bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates am Donnerstag in New York, zu der er eingeladen war, das Gremium auf, »keine Zeit zu verlieren« und Flüchtlingslager innerhalb Syriens einzurichten. Der oppositionelle Syrische Nationalrat verlangte erneut die Durchsetzung einer Flugverbotszone in Syrien. Der französische Außenminister Laurent Fabius erklärte, man wisse, daß »die Opposition im Norden und Süden starke Stellungen aufgebaut hat«. Dort müsse nun eine Verwaltung eingerichtet werden, die Frankreich mit einem Teil einer geplanten Syrien-Hilfe von fünf Millionen Euro unterstützen werde. Großbritannien kündigte weitere Unterstützung in Höhe von drei Milliarden Dollar an. Flüchtlingslager in Syrien einzurichten werfe allerdings »erhebliche Fragen« auf, hieß es aus Reihen der französischen Delegation. Lager müßten ebenso wie eine Flugverbotszone militärisch durchgesetzt werden.
Der syrische UN-Botschafter Baschar Al-Dschafari kritisierte bei der gleichen Sitzung die Doppelzüngigkeit westlicher Politik im UN-Sicherheitsrat. Einige Staaten betrachteten humanitäre Hilfe für die Syrer aus »ihrer interventionistischen« Perspektive, verlangten mit Wirtschaftssanktionen dem syrischen Volk schwere humanitäre Opfer ab. Arabische und islamische Staaten kündigten humanitäre Unterstützung für Syrien an, während sie nichts zu dem Hilfsplan beitrügen, den das UN-Büro für die Koordination Humanitärer Hilfe mit der syrischen Regierung vereinbart habe. Kein Land könne es zulassen, daß »Terroristen und Söldner seine Städte kontrollieren«, kein Land könne sich der Verantwortung für den Schutz seiner Bürger entziehen.
http://www.jungewelt.de/2012/09-01/033.php
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