F. William Engdahl
Der weltweite Skandal um die
Europa-Beauftragte des US-Außenministeriums Victoria Nuland wird mit
großer Sorgfalt in Szene gesetzt, um die Aufmerksamkeit von dem
wirklichen Thema abzulenken. Anstatt sich des dreist-unverfrorenen
Inhalts von Nulands in der vergangenen Woche abgehörtem Telefonat mit
Geoffrey Pyatt, dem US-Botschafter in der Ukraine, anzunehmen – dass
nämlich Nuland ein Jahr vor den verfassungsmäßig geplanten Wahlen in der
Ukraine das Mikro-Management eines versuchten amerikanischen
Staatsstreichs gegen die gewählte Regierung betreibt – konzentriert sich
alles auf Nulands krassen Kommentar »Fuck the EU«. Wie ihr Büro
mitteilt, hat sie sich für die Bemerkung entschuldigt, wir sollen also
tunlichst vergessen, dass sie überhaupt gefallen ist.
Ein typisches Beispiel für den Versuch der Mainstream-NATO-Medien, die Debatte zu verlagern, ist die neueste Ausgabe des Spiegel – »Fauxpas einer US-Diplomatin: ›Fuck the EU‹. Der Spiegel-Artikel
konzentriert sich auf die unverblümt arrogante Sprache Nulands, einer
früheren Assistentin Dick Cheneys und hartgesottenen Neokonservativen,
als sei die das eigentliche Problem. Kaum jemals in der neueren
Geschichte der Diplomatie trat eine unrechtmäßige
Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates
so offen zutage wie durch Nulands Telefonat. Für Nicht-Muttersprachler
des Englischen, für die »Fuck the EU« vielleicht nur witzig klingt, sei
der Hinweis erlaubt: Im amerikanischen Englisch ist es Ausdruck
krassester imperialer Arroganz. Der Satz bestätigt, was die NSA-Skandale
bereits andeuteten – Washington betrachtet Deutschland und die EU als
»Vasallen« der USA, um den Begriff von Obamas früherem Berater Zbigniew
Brzeziński zu verwenden.
Als sich der Skandal im Internet rasend schnell verbreitete, erklärte Nulands Sprecherin Jennifer Psaki:
»Es ist ein neuer Tiefpunkt in der russischen Spionagetaktik
hinsichtlich Veröffentlichung und Posten. Sie verbreiten es aktiv,
posten und twittern darüber, wir betrachten es als einen neuen
Tiefpunkt.«
Wie
bitte, Frau Psaki? Ist das ein Ablenkungsmanöver? Welchen Beweis haben
Sie, außer dem, dass ein Assistent des russischen
Vize-Ministerpräsidenten Rogosin behauptet, er habe wie Millionen andere
YouTube aufgerufen und eine Facebook-Nachricht verschickt? Ist der ukrainische Geheimdienst nicht in der Lage, genauso wie die NSA mit hoch entwickelten Anlagen Gespräche abzuhören?
Der Spiegel lässt den Kern von YouTube unerwähnt –
dass nämlich das US-Außenministerium die Krise in der Ukraine bis ins
kleinste Detail manipuliert. Nicht genug damit, dass von der
US-Regierung finanzierte NGOs [Nichtregierungsorganisationen] wie das National Endowment for Democracy
[Nationale Stiftung für Demokratie] Geld für Demonstranten in der
Ukraine bezahlen. Jetzt kam die direkte Inszenierung des
US-Außenministeriums ans Licht – für jeden, der es sehen und hören will.
Der Spiegel endet sogar mit einer leichten Note,
er zitiert Nulands Büro, das zuvor Moskau für die Abhöraktion
verantwortlich gemacht hatte. Der Artikel berichtet über ein Interview
mit der New York Times: »Sie schien aber eher amüsiert als ärgerlich, schreibt die Zeitung. ›Das gehört alles zum Job‹, sagte die Diplomatin demnach.«
Hinweise, wonach Washington Neonazis bezahlte
Jetzt gibt es Hinweise aus der Ukraine, wonach Washington, d.h.
Nuland und andere, auch die gewalttätigen Neonazis bezahlte, die jüngst
nach Kiew und in andere Städte gefahren sind, um dort gewalttätigen
Aufruhr zu veranstalten, der der Regierung Janukowytsch Angst einjagen
und ihn zum Nachgeben gegenüber den Plänen der USA veranlassen sollte. CNN, die BBC und Mainstream-NATO-Medien
vermitteln den Eindruck, als unterstütze die Mehrheit der Menschen in
der Ukraine die Proteste gegen Janukowytsch, weil er das
Assoziierungsabkommen mit der EU zugunsten Russlands abgelehnt hat. In
Wirklichkeit will die breite Mehrheit einfach nur in Frieden leben, wie
mir viele Menschen in der gesamten Ukraine bestätigen. Sie gehen nicht
auf der Straße.
Wie erzeugen die NATO und Nuland – unter George W. Bush US-Botschafterin bei der NATO – den Eindruck, es handele sich um den Protest von Millionen? Indem sie die Neonazis des Pravy Sektor (rechter Sektor) organisieren und bezahlen, jene »Sicherheits«-Organisation, die mit der oppositionellen Swoboda-Partei
in Verbindung steht und angeblich die militanten Demonstranten vor der
ukrainischen Polizei schützt. Sie werden herumgekarrt, um friedliche
Proteste in gewalttätige Zusammenstöße zu verwandeln, die dann
passenderweise von vorab informierten westlichen Medien gefilmt werden.
Die amerikanische Zeitschrift TIME brüstete sich in einem
Artikel sogar mit einem persönlichen Interview mit dem Führer der
Neonazi-Möchtegern-»Revolutionäre« von Pravy Sektor, Dmitro Yarosh: »Exklusiv: Führer der ukrainischen rechtsextremen militanten Gruppe spricht gegenüber TIME von Revolution.« »Rechtsextreme militante Gruppe«? Die Organisation Pravy Sektor
führt ihre Wurzeln auf den Zweiten Weltkrieg und Hitlers SS als
antirussische Bewegung zurück. Es sind Neonazi-Terroristen und
offensichtlich sind sie stolz darauf. TIME, eine amerikanische
Mainstreamzeitschrift, versucht, sie als eine Art modern-romantischer
Che-Guevara-Revolutionäre darzustellen.
Jetzt bestätigen mehrere Berichte aus der Ukraine, dass nicht nur Neonazis von Pravy Sektor
bezahlt werden, die im Land herumreisen und Zusammenstöße bei
friedlichen Protesten provozieren. Auch Demonstrationen von Hunderten
ukrainischer Bürger vor der US-Botschaft in Kiew, die ein Ende der
US-amerikanischen Einmischung fordern, werden von den NATO-Mainstreammedien ignoriert oder behandelt, als hätte es sie nicht gegeben.
Am 23. Januar demonstrierten Tausende ukrainischer Mitglieder einer
neuen Organisation »Bürger von Kiew für eine saubere Stadt« vor der
US-Botschaft und forderten ein Ende der Einmischung der USA in der
Ukraine und der Unterstützung für die gewalttätigen Neonazis von Pravy Sektor.
Keine einzige westliche Fernseh- oder Rundfunkstation und keine Zeitung
hielt es für nötig, über diese Demo zu berichten. Ivan Prosenko,
Mitglied der »Bürger von Kiew für eine saubere Stadt«, erklärt: »Die USA
stehen hinter den derzeitigen Ereignissen in Kiew. Das muss aufhören.
Deshalb sind wir hier, um der gesamten Welt zu sagen: USA – Stopp! USA – Wir brauchen Frieden.«
Weiterhin berichten Ukrainer, dass es in Dnepropetrowsk, einer Stadt
am Fluss Dnepr südwestlich der Hauptstadt Kiew, keine Demonstrationen
gegen die Regierung gab. Alles war friedlich, bis ganze
Busladungen von bewaffneten Neonazis aus Kiew eintrafen, um
gewalttätige Proteste zu inszenieren, die von zuvor benachrichtigten
westlichen Mainstreammedien gefilmt wurden, um zu »zeigen«, dass es überall im Land Proteste gebe.
Die gesamte Nuland-YouTube-Affäre, die viele bereits als
»Nulandgate« bezeichnen, ist keine kleine Peinlichkeit. Sie hat den
Stein beiseite gerollt, der bisher das hässliche eingebettete Netzwerk
von Neokonservativen aus Washington bedeckte, die hinter Staatsstreich
und Regimewechsel stehen und sogar Neonazi-Terror unterstützen, um ihr
Ziel, Russland zu zerstören und die Ukraine gleich mit, zu erreichen.
Das ist es, was Bundeskanzlerin Merkel als »absolut inakzeptabel«
bezeichnen sollte und nicht Nulands Ausspruch »Fuck the EU«.
http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/f-william-engdahl/eine-fussnote-zum-nuland-ukraine-skandal-usa-bezahlten-gewalttaetige-demonstrationen.html
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