Foto: Pressedienst des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad (via Izvestia.ru) |
Der Präsident der Syrischen Arabischen Republik spricht im Exklusivinterview mit “Izvestia” über die Gefahr einer Intervention durch die USA und den Westen, über seine Beziehungen zu Wladimir Putin und die Gemeinsamkeit der Schicksale von Russen und Syrern. Quelle: Izvestia.ru
Auf dem Höhepunkt der Krise trafen
sich Aleksandr Potapow und Jurij Mazarskij in Damaskus mit dem
Präsidenten des Landes, Baschar al-Assad. In einem Exklusivinterview
für “Izvestia” erzählt er davon, wer es ist, der chemische Waffen
einsetzt, er kommentiert die Statements der westlichen Politiker über
deren Vorhaben, militärischen Druck auf Syrien auszuüben und bewertet
die Hilfe, die das syrische Volk von Russland und dessen Präsidenten
erfährt.
Herr Präsident, die
brennendste Frage dieser Tage ist – wie ist die Lage in Syrien? Welche
Territorien verbleiben unter der Kontrolle der Aufständischen?
Es geht nicht so sehr um Territorien,
die unter der Kontrolle der Terroristen sind und jene, welche von der
Armee kontrolliert werden. Es gibt keinen solchen Feind, der unser Land
besetzt hätte. Wir haben es mit Terroristen zu tun, die in die Dörfer
und Vororte von Städten eindringen. Es handelt sich um Verbrecher,
welche unschuldige Zivilisten ermorden und Objekte der Infrastruktur
zerstören.
Die Armee, die
staatlichen Gewaltorgane und die Polizei sind bestrebt, sie aus den
bewohnten Ortschaften zu vertreiben und zu vernichten. Die, welche
überleben können, begeben sich in andere Territorien und schließen sich
anderen Banden an. So kann man sagen, dass der Kern unseres Handelns
die Vernichtung von Terroristen ist.
Der Hauptgrund für die anhaltenden
militärischen Aktionen ist die enorme Menge von ständig auf syrisches
Gebiet eindringenden Terroristen von außerhalb. Jeden Monat kommen
Zehntausende von ihnen in unserem Land an. Außerdem werden die
Terroristen nach wie vor vom Ausland finanziert, es werden ihnen Waffen
geliefert.
Doch ich kann Ihnen versichern, es
gibt keinen solchen Ort, an den sich die Regierungstruppen nicht
begeben könnten – sie tun das ja auch und vernichten die Terroristen an
allen Orten, an denen sie mit ihnen zusammenstoßen.
Die westliche Presse behauptet
heutzutage nicht selten, dass die Terroristen zwischen 40 und 70
Prozent des syrischen Territoriums kontrollieren. Wie viel Territorium
befindet sich denn tatsächlich noch unter der Kontrolle des syrischen
Staates?
Keine einzige Armee in keinem Land der
Welt kann sich auf dem gesamten Territorium ihres Landes gleichzeitig
in völliger Einsatzbereitschaft befinden. Das nutzen die Terroristen
aus und versuchen überall dort einzudringen, wo die Armee nicht präsent
ist. In jeder Provinz, in die Terroristen eingedrungen sind, haben wir
Säuberungsaktionen durchgeführt. Deshalb möchte ich noch einmal
wiederholen: das Problem besteht nicht im Territorium, auf dem sich
Terroristen befinden, das ändert sich täglich, ja stündlich. Das
Problem besteht in der großen Zahl der Kämpfer, die von außerhalb
eindringen.
Ob die Syrische Arabische Armee in ein
jedes beliebige, von Terroristen besetzte Gebiet gelangen und diese
vernichten kann? Ich kann Ihnen mit voller Gewissheit sagen: Ja! Das
tut die Armee ja auch. Es benötigt mehr Zeit, denn der Krieg, der uns
aufgezwungen wurde, geht nicht einfach so schnell zu Ende, sondern
benötigt eine verhältnismäßig lange Zeit. Wir zahlen einen hohen Preis
für diesen Krieg, dafür, all die Terroristen in Syrien zu vernichten.
Sind denn die Terroristen, von
denen Sie sprechen, einzelne, selbständige radikale Gruppierungen oder
handelt es sich um Teile einer größeren Macht, deren Ziel es ist, die
Situation im gesamten Nahen Osten, darunter auch in Syrien, zu
destabilisieren?
Wir haben es sowohl mit einzelnen
Gruppierungen als auch mit ganzen Terrorarmeen zu tun. Doch sie ähneln
sich in vielerlei, vor allem in ideologischer Hinsicht. Außerdem
bekommen sie Gelder aus den gleichen Quellen.
Ihre Ideologie ist der Radikalismus,
der keinerlei religiöse Ansichten akzeptiert als die, zu der sich die
Terroristen selbst bekennen. Sie haben ein und dieselben ideologischen
Führer, solche wie az-Zawahiri, doch dabei hat jede dieser Gruppen auch
ihre eigenen Anführer.
Ihre Sponsoren sind, wie ich bereits
sagte, ein und dieselben, mitunter sind das ganze Staaten, wie
beispielsweise Saudi-Arabien.
Ungeachtet dessen, dass sie versprengt
sind, haben ihre Sponsoren und ideologischen Führer die Möglichkeit,
jede von ihnen zum Beispiel durch radikale Botschaften zu manipulieren.
Beispielsweise können sie äußern: “Moslems sind verpflichtet, in
Syrien in den Dschihad zu ziehen”. Tausende von Kämpfern werden auf
diese Weise hierher geschickt, um Krieg zu führen.
Die Sponsoren steuern die Banden auch, indem sie ihnen Waffen und Mittel für konkrete Terroranschläge liefern.
Außerdem vereint beispielsweise das
erwähnte Saudi-Arabien die Funktionen eines Sponsors und ideologischen
Leitbilds in sich: es verbreitet unter den Kämpfern die wahhabitische
Weltanschauung und unterstützt sie mit Geldern.
Der syrische Staat spricht von
engen Beziehungen zwischen Israel und den Terroristen. Aber ist es
nicht so, dass allein die Erwähnung Israels unter den radikalen
Islamisten zu Hysterie führt? Wie sollte in diesem Fall eine
Zusammenarbeit zwischen ihnen bestehen?
Weshalb eröffnet Israel das Feuer auf
unsere Streitkräfte, wenn wir die Terroristen in den Grenzgebieten
stellen? Doch wohl dazu, uns zu behindern? Weshalb gibt Israel den an
der Grenze festgesetzten Terroristen Gelegenheit, in seinem Gebiet vor
unseren Streitkräften Zuflucht zu finden, und greift gleichzeitig
unsere Truppen aus einer anderen Richtung an? Aus welchem Grunde hat
Israel im Verlauf der letzten Monate mehrmals Teile der Syrischen
Arabischen Armee angegriffen?
Doch den Hauptbeweis für die Zusammenarbeit führt ja Israel selbst an.
Israel hat mehrfach verlauten lassen,
dass in den Krankenhäusern des Landes dutzende Terroristen behandelt
werden. Wenn diese Gruppierungen Israel so sehr hassen, und allein die
Erwähnung dieses Namens bei ihnen zu Hysterie und Hass führt, weshalb
haben denn diese radikalen Gruppierungen, die jetzt gegen Ägypten und
Syrien Krieg führen, noch nie auch nur eine einzige Operation gegen
Israel unternommen? Wir wollen uns doch einmal daran erinnern, wer
diese Gruppierungen ursprünglich geschaffen hat. Diese Terroristen
wurden ursprünglich von den USA und dem Westen angeworben und
unterstützt, und finanziert wurden sie von Saudi-Arabien seit Beginn
der 1980er Jahre, damit sie in Afghanistan gegen die UdSSR Krieg
führen. Wie sollten diese Gruppierungen, die vom Westen und von Amerika
geschaffen worden sind, gegen Israel losschlagen?
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Unser Interview wird in eine
Vielzahl von Sprachen übersetzt werden, viele Führungspersönlichkeiten
der ganzen Welt, darunter auch jene, die gegen Sie Position beziehen,
werden es lesen. Was möchten Sie diesen mitteilen?
Unter den Oberhäuptern der Staaten der
heutigen Zeit gibt es eine Menge an Stammtischpolitikern und ziemlich
wenige Führungspersönlichkeiten. Sie kennen die Geschichte nicht und
lernen nicht daraus. Mancher unter ihnen vergisst selbst die jüngere
Vergangenheit.
Haben sie denn die Lektionen der
vergangenen 50 Jahre gelernt? Haben sie wenigstens die Dokumente ihrer
Vorgänger durchgeblättert, die all ihre Kriege seit Vietnam bis heute
verpfuscht haben? Haben sie sich klargemacht, dass diese Kriege nichts
gebracht haben als Zerstörung und Instabilität, sowohl im Nahen Osten,
als auch in anderen Regionen der Welt?
Genau diesen Politikern würde ich gern
erklären, dass der Terrorismus kein Trumpf in der Jackentasche ist,
den man herausnehmen und einsetzen kann, wenn man das gern möchte,
wonach man ihn wieder verschwinden lässt. Der Terrorismus sticht, wie
ein Skorpion, in jedem beliebigen Moment. Entsprechend kann man nicht
in Syrien den Terrorismus unterstützen und in Mali gegen ihn vorgehen.
Man kann nicht den Terrorismus in Tschetschenien unterstützen und ihn
gleichzeitig in Afghanistan bekämpfen.
Natürlich rede ich nicht von allen
Staatsoberhäuptern, sondern von denen mancher westlicher Staaten. Sie
sollten damit aufhören, sich in die Angelegenheiten anderer Staaten
einzumischen und Marionettenregierungen zu installieren, sondern eher
auf die Meinung ihrer Völker hören; vielleicht käme die westliche
Politik auf diese Weise etwas näher an die Realität heran.
Wenn Sie darauf bestehen, dass ich
eine Botschaft an die Welt richte, dann sage ich folgendes: wenn jemand
davon träumt, Syrien zu einer Marionette des Westens zu machen, so
wird das nicht geschehen. Wir sind ein unabhängiger Staat und werden
gegen den Terrorismus Krieg führen, wir werden Beziehungen mit den
Ländern, mit denen wir selbst das wollen, frei aufbauen, all das zum
Wohl des syrischen Volkes.
Am Mittwoch wurde die syrische
Regierung von den Aufständischen mit der Anschuldigung konfrontiert,
chemische Waffen eingesetzt zu haben. Diese Anschuldigung wurde sofort
von einer Reihe westlicher Führungen aufgegriffen. Was können Sie
darauf antworten? Werden Sie es einer UN-Sonderkommission gestatten,
eine Untersuchung dieses Vorfalls durchzuführen?
Die Verlautbarungen der Politiker der
USA, des Westens und anderer Staaten sind eine Verhöhnung des gesunden
Menschenverstandes und Verachtung gegenüber der öffentlichen Meinung
ihrer Völker. Es ist Nonsens: erst gibt es Anschuldigungen, und erst
dann sammelt man Beweise. Genau das macht das mächtigste Land – die
USA. Anders gesagt, am Mittwoch wurden wir angeschuldigt, und erst zwei
Tage später ließ die US-amerikanische Regierung verlauten, jetzt mit
der Beweisaufnahme zu beginnen. Wie sollten sie denn diese Beweismittel
sammeln, wo sie sich doch fernab befinden? Wir werden beschuldigt, die
Armee habe chemische Waffen in einem Gebiet eingesetzt, welches
angeblich unter der Kontrolle von Rebellenkämpfern stehe. Es gibt aber
in diesem Gebiet keine definierbare Frontlinie zwischen der Armee und
den bewaffneten Gruppierungen. Kann denn ein Staat chemische oder
andere Massenvernichtungswaffen an einem Ort einsetzen, wo seine
eigenen Truppen konzentriert sind? Das widerspricht der elementaren
Logik. Aus diesem Grunde sind solche Anschuldigungen ausschließlich
politischer Art, und Grund dafür ist eine Reihe von Erfolgen der
Regierungskräfte gegen die Terroristen.
Was die Untersuchung von
Kriegsverbrechen in Syrien angeht, so sind wir die ersten, die eine
Untersuchung durch eine internationale Kommission gefordert haben. Als
die Terroristen eine Rakete mit Giftgas auf Aleppo abgefeuert haben,
und zwar kurz nach vielfachen Verlautbarungen des Westens, die
Regierungstruppen seien bereit, chemische Waffen einzusetzen, haben wir
eine Untersuchung durch ausländische Fachleute gefordert. Diese
Position war mit Russland abgestimmt, wir wollten, dass die USA,
Frankreich und Großbritannien sich selbst davon überzeugen, dass das
nicht unser Werk ist, sondern dass unsere Feinde chemische Kampfstoffe
einsetzen. Sie hätten sich anhand von konkreten Fakten davon überzeugen
können, nicht nur anhand von haltlosen Anschuldigungen.
Im Verlauf der letzten Wochen haben
wir mit der UNO über die Arbeit einer Kommission verhandelt, und
schließlich sind die Fachleute zu uns gekommen (einige Stunden nach
dem Interview wurde bekannt, dass die syrische Regierung und die
UN-Kommission das gemeinsame Vorgehen bei der Untersuchung des
angeblichen Einsatzes von Chemiewaffen abgestimmt haben – „Izvestia“). Das Ergebnis ihrer Arbeit wird der UNO vorgestellt werden.
Aber dabei wissen Sie natürlich, dass
jedes beliebige Resultat nach dem Belieben einzelner Länder
interpretiert werden kann. Wir erwarten deshalb ja auch, dass Russland
es nicht gestatten wird, die Dokumente im Interesse der amerikanischen
oder überhaupt der westlichen Politik zu interpretieren.
Nach Verlautbarungen der
US-Führung und denen anderer westlicher Staaten der vergangenen Tage
schließen es die USA nicht aus, eine Militärintervention gegen Syrien
zu unternehmen. Nehmen Sie an, dass die USA genauso handeln werden wie
im Irak, also dass sie nach einem Vorwand für eine Intervention suchen?
Es ist nicht das erste Mal, dass die
Frage nach einer militärischen Intervention in Syrien aufgeworfen wird.
Von Anbeginn der Krise haben die USA, Frankreich und Großbritannien
versucht, eine Militärinvasion zu unternehmen, doch zu ihrem Unglück
hat sich die Sache anders entwickelt. Sie haben versucht, Russland und
China davon zu überzeugen, ihre Position im UN-Sicherheitsrat zu
ändern, doch das ist nicht gelungen.
Sie konnten auch ihre eigenen Völker
und die gesamte Welt nicht davon überzeugen, dass die von ihnen im
Nahen Osten verfolgte Politik durchdacht und nutzbringend sei. Es ergab
sich ebenso, dass die Lage sich hier von der in Ägypten und Tunesien
unterscheidet.
Ein und dasselbe Szenario der
„arabischen Revolutionen“ ist nicht mehr überzeugend. Sie können alle
möglichen Kriege vom Zaun brechen, können aber nicht wissen, wie lange
ein solcher Krieg andauern und auf welches Territorium er sich
erstrecken wird. Sie haben begriffen, dass die Lage außer Kontrolle
geraten ist.
Ein weiteres Hindernis für eine
Militärinvasion ist, dass alle verstehen: was in Syrien vor sich geht,
ist keine Revolution des Volkes, es ist nicht die Forderung nach
Reformen. Es ist Terrorismus. Im Anbetracht dieser Tatsachen können die
westlichen Führer ihren Bürgern nicht einfach sagen: „Wir gehen nach
Syrien, um dort den Terrorismus zu unterstützen.“
Herr Präsident, womit werden
es die USA zu tun haben, sollten sie sich dazu entschließen, Syrien
anzugreifen oder gar in das Land einzudringen?
Die USA erwartet ein Fiasko, wie auch
in all den Kriegen, die sie in der Vergangenheit vom Zaun gebrochen
haben, angefangen von Vietnam bis hin zu unseren Tagen. Amerika hat
sich an einer Vielzahl von Kriegen beteiligt, konnte seine politischen
Ziele, um derentwillen diese Kriege begonnen wurden, aber kein einziges
Mal erreichen. Die USA konnten ihren eigenes, aus vielen
Nationalitäten bestehendes Volk nicht von der Rechtmäßigkeit dieser
Kriege überzeugen, ebenso scheiterten sie immer daran, anderen Ländern
ihre eigene Ideologie aufzuzwingen. In der Tat, mächtige Staaten können
Kriege entfesseln, aber können sie auch siegen?
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Pflegen Sie weiterhin
Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin? Sprechen Sie
telefonisch mit ihm? Falls ja, welche Fragen besprechen Sie mit ihm?
Mit Präsident Wladimir Putin verbinden
uns langjährige Beziehungen, die lange vor der syrischen Krise
entstanden sind. Von Zeit zu Zeit verständigen wir uns mit ihm. Es ist
klar, dass man komplexe Fragen wie die syrische Krise nicht am Telefon
besprechen kann. Die Beziehungen zwischen unseren Ländern werden
derzeit von russischen Amtsträgern gepflegt, die uns hier besuchen,
sowie auch von ihren syrischen Kollegen, die nach Moskau reisen.
Haben Sie vor, Russland in nächster Zukunft zu besuchen oder den russischen Präsidenten nach Syrien einzuladen?
Das ist natürlich möglich, aber mir
scheint, dass es jetzt notwendig ist, alle Anstrengungen im
Landesinnern zu konzentrieren, um die syrische Krise zu lösen. Wir
verlieren jetzt täglich Menschen, doch wenn die Umstände sich bessern,
dann werde ich selbstverständlich Präsident Putin besuchen oder ihn
nach Damaskus einladen.
Um das Thema Russland
fortzuführen: Sie wissen, dass Russland der Politik der USA und der EU
in der syrischen Frage widersteht. Was wird passieren, sollte Russland
diesem Druck stattgeben? Halten Sie eine solche Entwicklung für
möglich?
Heute ist es notwendig, die
russisch-amerikanischen Beziehungen nicht nur in den Positionen zur
Krise in Syrien zu betrachten; es braucht einen weiteren Blickwinkel.
Die gegensätzlichen Positionen zu Syrien sind nur einer der
Widersprüche zwischen Ihren beiden Ländern. Mit dem Zerfall der UdSSR
schien es den USA, dass Russland für immer vernichtet worden ist. Doch
seit dem Ende der 1990er Jahre, seit Beginn der Präsidentschaft
Wladimir Putins begann Russland allmählich zu erstarken und seine
Positionen immer entschiedener zu verteidigen. Schließlich kam es zu
einem neuen Kalten Krieg um politischen Einfluss. Die USA traten dabei
an mehreren Fronten auf und versuchen vehement, die russischen
Interessen in der Welt zu blockieren.
Das Ziel der USA ist es, die Rolle
Russlands auf der internationalen Arena herabzusetzen, darunter auch
durch Ausübung von Druck in der syrischen Frage.
Sie können fragen, aus welchem Grunde
Russland Syrien unterstützt. Es ist sehr wichtig, diese Frage zu
klären. Russland verteidigt nicht etwa den Präsidenten Baschar al-Assad
oder die Regierung, denn das syrische Volk kann jeden beliebigen
Präsidenten und jede beliebige Regierung wählen.
Russland verteidigt die Prinzipien, an
die es sich seit mindestens hundert Jahren hält: die Prinzipien von
Unabhängigkeit und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten
anderer Staaten. Russland hat selbst aus diesem Grunde vielfach
gelitten.
Außerdem verteidigt Russland seine
eigenen Interessen in der Region, und das ist sein gutes Recht. Diese
Interessen beschränken sich nicht auf den Hafen von Tartous. Sie gehen
viel tiefer: die Schläge der Terroristen gegen Syrien gefährden die
Stabilität im gesamten Nahen Osten. Eine Destabilisierung wird auch für
Russland Folgen haben. Die Führung Ihres Landes versteht das, ganz im
Unterschied zu vielen Führungen westlicher Staaten. Was die kulturellen
und gesellschaftlichen Fragen angeht, so dürfen wir nicht vergessen,
dass es tausende russisch-syrische Familien gibt, die eine kulturelle
und gesellschaftliche Brücke zwischen unseren beiden Staaten bilden.
Würde Russland also schachern, so wäre das vor ein-zwei Jahren
passiert, als das politische Bild noch unklar war. Zum heutigen Tage
ist dieses politische Bild allen vollkommen klar. Wer damals nicht
geschachert hat, wird das auch heute nicht mehr tun.
Gibt es Verhandlungen mit
Russland bezüglich der Lieferung von Brennstoff, Waren und Waffen?
Besonders möchte ich zum Vertrag über die Lieferung der
S-300-Waffensysteme nachfragen – sind diese Ihnen bereits geliefert
worden?
Natürlich kann kein Land zum
Vorhandensein dieser oder jener Art Waffen oder zu den entsprechenden
Lieferverträgen Verlautbarungen anstellen – das ist Teil des Staats-
und Militärgeheimnisses.
Doch ich will sagen, dass alle mit
Russland geschlossenen Verträge erfüllt werden. Weder die Krise, noch
der Druck der USA, Europas oder der Golfstaaten haben ihre Erfüllung
behindert. Russland liefert Syrien das, was für dessen Schutz und den
Schutz seiner Bevölkerung notwendig ist.
Foto: Pressedienst des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad (via Izvestia.ru) |
Welche Hilfe erwartet Syrien
von Russland: wirtschaftliche Hilfe oder Waffen? Plant Syrien, bei
Russland um einen Kredit zu bitten?
Wenn die Sicherheit des Landes
geschwächt ist, führt das ebenso auch zu einer Schwächung der
wirtschaftlichen Lage. Dass Russland seine militärischen Verträge
Syrien gegenüber erfüllt, wird zweifelsohne auch zur Verbesserung der
wirtschaftlichen Lage in Syrien beitragen. Die russische Unterstützung
unseres Rechts auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmung hat von Anfang
an unserer Wirtschaft geholfen. Eine Reihe von Staaten, die dem
syrischen Volk entgegenstehen, hat der syrischen Wirtschaft ernsthaften
Schaden zugefügt, in erster Linie aufgrund der Wirtschaftsblockade,
unter der wir jetzt zu leiden haben. Russland hat vollkommen anders
gehandelt.
Die politische Unterstützung durch
Russland, ebenso auch die exakte Erfüllung der Rüstungsverträge
ungeachtet des US-amerikanischen Drucks, hat unsere wirtschaftliche
Lage merklich gebessert.
Was nun direkt die Wirtschaft
anbelangt: jeder Kredit eines befreundeten Landes wie Russland ist für
beide Seiten von Vorteil. Für die russische Seite kann das eine
Erweiterung der Absatzmärkte und neue Perspektiven für russische
Unternehmen bedeuten, für Syrien ist das die Möglichkeit, Mittel für
die Entwicklung der eigenen Wirtschaft zu gewinnen. Und das alles noch
ungeachtet der bestehenden, mit verschiedenen russischen Firmen
geschlossenen Verträge über die Lieferung verschiedenster Waren.
Ich möchte nochmals bekräftigen, die
politische Position Russlands und seine Unterstützung für Syrien
schlagen sich positiv auf der Stabilität und dem Wohlergehen der
syrischen Bürger nieder.
Könnten Sie auf die bestehenden, gültigen Verträge eingehen: betreffen sie Brennstoff oder Lebensmittel?
Die heutigen Wirtschaftssanktionen
hindern die syrischen Bürger daran, Lebensmittel, Arzneimittel und
Brennstoff zu erhalten. Das sind Waren des täglichen Bedarfs, die für
das Leben notwendig sind. Und entsprechend soll das, was der syrische
Staat derzeit unternimmt, indem er Verträge mit Russland und anderen
befreundeten Staaten unterzeichnet, es gestatten, die Versorgungslage
in diesem Bereich zu stabilisieren.
Um zur syrischen Frage
zurückzukehren – wir wissen, dass Sie mehrmals hintereinander Amnestien
verkündet haben. Was sind deren Resultate? Gibt es solche unter den
durch Amnestie freigekommenen Aufständischen, die jetzt in den Reihen
der Regierungskräfte kämpfen?
Ja, das ist richtig, und die Amnestie
bringt positive Ergebnisse. Besonders, nachdem das reale Bild dessen,
was in Syrien vor sich geht, allen klar geworden ist.
Viele unter den Rebellenkämpfern haben
ihre Waffen niedergelegt und sind zu einem normalen Leben
zurückgekehrt. Viele von ihnen sind auch auf die Seite der Regierung
übergegangen. Die Rebellengruppierungen kann man in zwei Teile teilen:
einerseits sind es solche, die sich von den Medien haben betrügen
lassen, andererseits solche, die man durch Terrorandrohung dazu
gezwungen hat, in die Reihen der Rebellenkämpfer einzutreten. Wir
glauben deshalb immer daran, dass wir die Tür für solche geöffnet
halten müssen, die von dem Weg abkehren wollen, den sie gegen ihre
Heimat beschritten haben. Ungeachtet dessen, dass in Syrien viele gegen
diese von der Regierung erklärten Amnestien waren, haben sie sich
bewährt und die Spannung in der Gesellschaft abzubauen geholfen.
Herr Präsident, wen würden Sie
als Ihren Hauptverbündeten bezeichnen, und wen dahingegen als Gegner?
Die Beziehungen Syriens mit einigen Ländern gehen in der letzten Zeit
in die Brüche – mit Katar, der Türkei und Saudi-Arabien. Wer trägt die
Schuld daran?
Die Länder, die mit uns gemeinsam auf
der internationalen Arena auftreten, sind Russland und China, auf
regionaler Ebene ist das der Iran. Doch ich kann dazu sagen, dass es
auf der Welt eine positive Entwicklung gibt: einige Länder, die einst
radikal gegen uns eingestellt waren, haben ihre Position geändert,
einige davon gehen daran, ihre guten Beziehungen zu Syrien
wiederherzustellen. Es gibt auch solche Länder, die uns indirekt
unterstützen.
Dann gibt es eine Reihe von Staaten, die die Terroristen in Syrien offen unterstützen – das sind Katar und die Türkei.
Katar ist der Sponsor der Terroristen,
in der Türkei werden sie trainiert und von dort bekommen sie Korridore
in unser Land hinein. Jetzt hat Saudi-Arabien Katar als Sponsor
abgelöst. Saudi-Arabien ist ein Staat, der nichts als Geld besitzt, und
jemand, der nur Geld besitzt, kann keine zivilisierte Gesellschaft
aufbauen und den Frieden aufrechterhalten. Während also Saudi-Arabien
als Hauptsponsor fungiert, so ist die Lage in der Türkei eine andere.
Es ist sehr schade, dass man ein Land wie die Türkei mit einer Handvoll
Dollar steuern kann. Leider ist es so, dass dieses große, eine
strategisch wichtige Position einnehmende Land durch einen der
Golfstaaten gesteuert wird. Dafür trägt der türkische Premierminister
die Verantwortung. Natürlich trägt das türkische Volk, mit dem uns
viele Gemeinsamkeiten und ein historisches Erbe verbinden, keine Schuld
daran.
Was steckt hinter der
Gemeinsamkeit der Positionen Russlands und Syriens – einzig
geopolitische Interessen oder die Ähnlichkeit der beiden Völker, die
ständig gegen Terrorgefahr anzukämpfen haben?
Es gibt in den russisch-syrischen
Beziehungen sehr viele Berührungspunkte. Der erste davon wäre, dass
Russland im Zweiten Weltkrieg unter einer Okkupation zu leiden hatte,
und Syrien ist auch mehrmals okkupiert gewesen. Zweitens hat Russland,
wie auch Syrien, unter einer Vielzahl von Versuchen einer äußeren
Einmischung in seine inneren Angelegenheiten gelitten. Das dritte wäre
der Terrorismus. Wir in Syrien verstehen sehr gut, wie das ist, wenn
friedliche Zivilisten im Nordkaukasus von den Händen der Terroristen
umgebracht werden, wir wissen, was die Geiselnahme in Beslan und im
Musical-Theater „Nord-Ost“ in Moskau bedeutet haben. Auf diese Weise
verstehen auch die Russen, womit wir es in Syrien zu tun haben, denn
sie haben den Terrorismus am eigenen Leib spüren müssen. Deshalb
glauben die Russen es auch nicht, wenn ein westlicher Amtsträger
daherkommt und erzählt, es gäbe einerseits böse, und andererseits
gemäßigte Terroristen. Es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit zwischen
Russland und Syrien – das sind die gemischten Familien, die ich
bereits erwähnt habe. Gäbe es keine kulturellen, gesellschaftlichen und
mentalen Gemeinsamkeiten, so würde es solche Familien gar nicht geben,
die unsere beiden Länder verbinden. Zu allem Gesagten möchte ich
hinzufügen: es gibt geopolitische Interessen, von denen ich auch
bereits gesprochen habe. Die Instabilität in Syrien und in der Region
im Ganzen wird auch auf Russland Auswirkungen zeigen. Russland versteht
sehr gut das, was Europa und der ganze Westen nicht begreift: die
Gefahr durch den Terrorismus, der keine Grenzen kennt. Es wäre falsch
anzunehmen, dass die Position eines solch großen Landes wie Russland
einzig auf einem oder zwei Prinzipien beruht.
Was erwarten Sie von der Genf-II-Konferenz?
Die Mission der Genfer Konferenz ist
es, eine Grundlage für eine politische Beilegung in Syrien
vorzubereiten. Allerdings können wir keinen Dialog in politischer
Richtung beginnen, sofern die ausländische Unterstützung des Terrors
anhält. Das, was wir von Genf erwarten, ist Druck auf diejenigen
Länder, die den Terrorismus in Syrien unterstützen. Sie müssen den
Waffenschmuggel und das Entsenden von Söldnern und Terroristen zu uns
einstellen. Sobald das passiert, wird es viel einfacher sein, einen
politischen Dialog unter allen syrischen Parteien über die Zukunft des
Landes, der Gesetzgebung und die Verfassung in Gang zu bringen.
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