Moskaus Improvisation
Der an die syrische Führung gerichtete Appell, die chemischen Waffen unter internationale Kontrolle zu stellen, sei nicht im Voraus vorbereitet gewesen, schreibt die Tageszeitung „Kommersant“ am Dienstag unter Berufung auf einen russischen Diplomaten. Mit diesem Appell habe der russische Außenminister Sergej Lawrow auf die jüngste Erklärung seines US-Amtskollegen John Kerry reagiert, hieß es. Kerry hatte gesagt, der Krieg könne ausbleiben, falls das Assad-Regime seine C-Waffen der internationalen Gemeinschaft überstellt. Der syrische Außenminister Walid Muallem begrüßte die russische Initiative.

Die Zeitung kommentiert: „Die Zustimmung der Regierung in Damaskus schwächt die Positionen der Befürworter eines Militäreinsatzes gegen Syrien. Nun wird es dem US-Präsidenten schwerer fallen, die Kongressabgeordneten für den Militäreinsatz stimmen zu lassen“. Andrej Baklizki, Experte der russischen Denkfabrik PIR Center, sagte dem Blatt: „Die syrische Antwort bringt Obama in eine schwierige Lage. Das Weiße Haus hat ja argumentiert, mit einem Militärschlag wolle man neue C-Waffen-Attacken in Syrien verhindern. Nun wird die US-Regierung erklären müssen, warum ein Militäreinsatz besser sei als internationale Kontrollen“.
Washingtons Präzedenzfälle
Der Experte Alexej Fenenko vom Institut für internationale Sicherheit der Russischen Akademie der Wissenschaften beschäftigt sich in einem Gastbeitrag für die „Nesawissimaja Gaseta“ damit, wie die US-Regierung den möglichen Krieg rechtlich begründen will: „Das angelsächsische Recht basiert auf Präzedenzfällen. Seit 15 Jahren setzten die USA Präzedenzfälle für eine Zwangs-Entwaffnung gefährlicher Regimes durch“.
Der erste Präzedenzfall sei der Irak gewesen, obwohl er keine Massenvernichtungswaffen besessen habe: „Medien haben den Amerikanern oft einen Irrtum vorgeworfen. Das Weiße Haus war aber nicht so naiv. Der Irak hat ihm ermöglicht, einen Militäreinsatz zwecks der ‚Entwaffnung‘ eines ‚gefährlichen Regimes‘ zu legitimieren“.
Der syrische Konflikt trage zu diesem rechtlichen Muster bei: „Mindestens seit März 2012 haben die Amerikaner von einem möglichen Militäreingriff gesprochen. Doch erst die jüngsten Berichte über eine Chemiewaffen-Attacke in Syrien haben die Regierung in Washington veranlasst, einen weiteren Präzedenzfall für eine Zwangs-Entwaffnung zu etablieren“.
Die Atommacht Russland sei über die amerikanische Politik der Zwangs-Entwaffnung besorgt. Die Frage sei, welches Land als Nächstes zum Ziel dieser Politik werde, so Fenenko.
Aussichten auf militärischen Sieg
Die Wochenzeitung „WPK“ beschäftigt sich mit der Frage, ob ein schneller militärischer Sieg gegen Syrien möglich ist. Der Militärexperte Konstantin Siwkow schreibt, der Militäreinsatz beginne voraussichtlich mit massiven Luft- und Raketenabgriffen: „Mit Blick auf die bisherigen Erfahrungen wird es dem Aggressor wahrscheinlich gelingen, die meisten stationären Flugabwehr-Stationen wie S-200 zu zerstören und niederzuhalten“.
Eine komplette Zerstörung der Flugabwehr bleibe jedoch aus. Auch das syrische Heer erleide nur relativ niedrige Verluste und bleibe weiterhin fähig, gegen oppositionelle Kämpfe effizient vorzugehen. Schließlich werde die ausländische Koalition begreifen, dass es ihr nicht gelinge, die syrische Führung ohne Heereseinsatz zu stürzen, so Siwkow.
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