Worum es im Syrien-Krieg wirklich geht: Öl, Gas und Marktzugänge! 4. September 2013
Der saudische Geheimdienst-Chef Bandar bin Sultan wollte mit Russlands Präsident Wladimir Putin einen Deal schließen, der dem Gazprom-Konzern eine wirtschaftliche Perspektive nach dem Sturz von Assad in Syrien eröffnet hätte. Putin lehnte ab.
Syrien ist der Spielball in einem knallharten wirtschaftlichen Konflikt um den globalen Energie-Markt. Es geht um den Zugriff auf Erdöl und Erdgas und um die Währung, in der diese Ressourcen bezahlt werden. Die Amerikaner haben viel zu verlieren, die Russen auch. Der Strippenzieher im Hintergrund kommt aus Saudi-Arabien.
Die Amerikaner wollen den syrischen Machthaber Assad stürzen. Doch nicht aus moralischen Gründen, weil dieser Giftgas eingesetzt hat.
In Syrien geht es um die Weichenstellungen für den internationalen Energiemarkt.
Es geht, wie immer bei Kriegen, um Öl, Gas und Marktzugänge.
Deutlich wurde dieser Konflikt aus den Notizen von einem Treffens zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin und dem saudischen Geheimdienst-Chef Prinz Bandar bin Sultan. Von diesem Treffen berichtete die Nachrichtenagentur AFP Anfang August. Die Frage, wer den Giftgas-Einsatz am 21. August wirklich durchgeführt hat, ist weiterhin ungeklärt – trotz der amerikanischen Erklärung, man wisse mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass Assad hinter dem Verbrechen stecke (hier). Zwei renommierte Reporter, die lange für die Associated Press gearbeitet haben, haben in Syrien eine ganz andere Version recherchiert. Für MPN schreiben sie, dass der saudische Geheimdienst für den Giftgas-Einsatz verantwortlich sei. Dies gehe aus zahlreichen Interviews hervor, die sie vor Ort geführt haben. Demnach sollen die Saudis die Waffen nach Syrien gebracht haben. Durch unsachgemäße Bedienung soll es dabei zu einer Explosion gekommen sein, bei der auch 12 Terroristen getötet worden seien.
Wenn das stimmt, müssten die Amerikaner Saudi-Arabien bombardieren.
Doch das geht nicht.
Saudi-Arabien ist der engste Verbündete der USA in der Golf-Region.
Zudem hätten mehr als ein Dutzend der befragten Rebellen gesagt, dass sie von der saudischen Regierung bezahlt würden.
Dass Saudi-Arabien tatsächlich Rebellen unterstützt, wird aus den Gesprächsnotizen eines Vier-Augen-Gesprächs Angang August im Landhaus des russischen Präsidenten Wladimir Putin deutlich. Der saudische Geheimdienst-Chef Prinz Bandar bin Sultan soll dabei nach einem Bericht des Telegraph gesagt haben. Der Bericht bezieht sich auf die libanesische Zeitung As Safir, die über das Treffen mit dem Hinweis auf diplomatische Quellen schreibt. Demnach sagte Bandar in Sultan zu Putin: „Ich
kann Ihnen garantieren, die Olympischen Winterspiele im kommenden Jahr
zu schützen. Die tschetschenischen Gruppen, die die Sicherheit der
Spiele gefährden, werden von uns kontrolliert“. Doch der saudische Geheimdienst-Chef soll nicht nur die Kontrolle der tschetschenischen Rebellen für sich in Anspruch genommen haben. Bandar sagte zudem, er könne den Russen die Sicherheit ihrer Marine-Basis
in Syrien garantieren, wenn die Regierung von Baschar al-Assad gestürzt
ist. Er könne die tschetschenischen Rebellen in Syrien an- und
ausschalten.
„Diese Gruppen machen uns keine Angst. Wir nutzen sie, um Druck auf die syrische Regierung auszuüben, aber sie werden keine Rolle in Syriens Zukunft spielen.“
Für die Russen ist Syrien von enormer
strategischer Bedeutung, weil die Russen verhindern wollen, dass Katar
für den europäischen Energie-Markt zur Alternative wird. Wenn Russland
seinen Einfluss in Syrien verliert, hätte dies zur Folge, dass dem
russischen Energieriesen Gazprom ein ernster Konkurrent aus der Golf-Region erwachsen könne. Gegenwärtig ist Europa bereits vom russischen Gas-Monopol abhängig – vor allem im Winter. Einer der wichtigsten politischen Berater von Gazprom ist der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder. Die Saudis wissen um die wirtschaftlichen Interessen Moskaus und machten daher den Russen ein Angebot, wie man ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien auch in einem Vorteil für Russland umwandeln könnte. Der saudische Geheimdienst-Chef schlug den Russen vor: „Lassen
Sie uns prüfen, wie wir eine gemeinsame russisch-saudische Strategie
zum Thema Öl aufsetzen können. Das Ziel besteht darin, eine Einigung über den Ölpreis und die Fördermengen
zu erzielen, die den Preis auf den globalen Märkten stabil halten. Wir
verstehen Russlands großes Interesse am Öl und Gas im Mittelmeer von
Israel bis Zypern. Und wir verstehen die Bedeutung der russischen
Erdgas-Pipeline nach Europa. (…) Wir könnten auf diesem Gebiet
zusammenarbeiten“.
Bandar sagte, er spreche mit der vollen Unterstützung der USA.
Saudi-Arabien hat Russland offenbar ein Bündnis mit der Organisation
erdölexportierender Länder (OPEC) angeboten. Russland und die OPEC fördern zusammen 45 Prozent des weltweiten Öls. Putin strebt seit längerem ein solches Abkommen an. Wenn
Saudi-Arabien seine Fördermenge reduzieren würde und der Ölpreis
steigen würde, könnte Russlands Regierung zusätzliche Einnahmen
erzielen. Putin lehnte das Angebot der Saudis jedoch ab: „Unsere Haltung zu Assad wird sich niemals ändern. Wir glauben, dass die syrische Regierung der beste Vertreter des syrischen Volkes ist und nicht diese Kannibalen“.
Damit spielt Putin auf ein Video an, das einen Rebellen zeigt, der das
Herz und die Leber eines syrischen Soldaten gegessen haben soll. Putin pokert,
weil er darauf setzt, dass der Westen nicht in der Lage sein werde,
einen Krieg in Syrien zu gewinnen. Die FT kommentierte: Je mehr sich die
Amerikaner in Syrien verstricken, um so besser für Russland.
Die Saudis
haben allerdings ein starkes Argument auf ihrer Seite: Sie planen
gemeinsam mit Katar eine Pipeline, die vom Golf bis in die Türkei
verlaufen soll. Damit würde Gazprom einen echten Konkurrenten bekommen –
vor allem im wichtigen europäischen Markt. Katar, das die syrischen Rebellen mit 3 Milliarden Dollar unterstützt hat, will über diese Pipeline Europa mit Erdgas beliefern.
Doch solange Assad in Syrien herrscht, wird diese Pipeline nicht gebaut
werden, weil Russland diese Konkurrenz unbedingt verhindern will (mehr hier). Neben der Kontrolle des europäischen Energiemarkts geht es jedoch auch um die Währung, in der Erdöl und Erdgas bezahlt werden. Der Dollar steht immer mehr unter Druck, seinen Status als Weltreservewährung und als Ölwährung
zu verlieren. Saudi-Arabien als treuer Verbündeter der USA wird am
Dollar festhalten. Im Falle von Russland ist das jedoch nicht der Fall. Seit dem erfolglosen Treffen zwischen Putin und Bandar
hat der Druck des Westens in Richtung eines Militärschlags gegen Syrien
stetig zugenommen. Nachdem das britische Parlament einen Militärschlag
abgelehnt hat, will US-Präsident Barack Obama notfalls allein losschlagen. Der französische Präsident Francois Hollande hat ihm allerding schon seine Unterstützung zugesichert (hier).
Gerade für Frankreich ist es wegen der wirtschaftlichen Krise wichtig,
dass die Ölpreise nicht gänzlich von einem Kartell kontrolliert werden.
Bei dem Giftgas-Einsatz vom 21. August kamen hunderte Menschen ums, Leben, darunter viele Kinder.
Aber um sie geht es nicht.
Es geht um schmutzige Deals.
An diesen Deals hängt der Reichtum einiger weniger.
Diese sind bereit, für ihre Interessen mit allen Mitteln zu kämpfen. Und sterben zu lassen.
Das sind die Fakten einer globalen Wirtschafts-Ordnung.
Syrien ist nur ein Kapitel in einer unendlichen, grausamen Geschichte.
{Quelle: deutsche-wirtschafts-nachrichten.de}
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