Wie einigen Leuten bekannt ist, besteht auch die Bevölkerung der
Vereinigten Staaten von Amerika nicht vollständig aus Darmausgängen. Und
unsere US-amerikanischen Mitstreiter für eine gerechtere Welt sind dort
drauf und dran, einen großen Sieg für eine gerechtere Welt zu erzielen.
Seit Jahren läuft in den USA, obwohl die
Bevölkerung da die vermutlich gründlichste Gehirnwäsche der Welt
erhalten hat, eine Kampagne zum Boykott des zionistischen
Apartheidsystems und seiner Kollaborateure. Diese als BDS bekannte
Kampagne geht manchmal große Schritte und oft nur kleine Schritte, aber
sie läuft und sie beißt. Fakultät für Fakultät, Universität für
Universität, Kirche für Kirche, wird dank des unermüdlichen Einsatzes
unzähliger Aktivisten beschlossen, zum Wohle der Würde der Menschheit
der Welt die Beziehungen zum zionistischen Apartheidsystem in Tel Aviv
und seinen Unterstützern auszudünnen, auszusetzen und abzubrechen.
Wie es sich nun zeigt, ist das zionistische Herrschaftssystem unter
Druck anfällig für Fehler, insbesondere für solche, die aus seiner
Arroganz entstehen. Vor wenigen Jahren noch galt die zionistische Lobby
über die USA als beinahe allmächtig. Beide große Parteien, Demokraten
wie Republikaner, wurden von der zionistischen Lobby beherrscht, ebenso
wie deutlich mehr als 80% der Abgeordneten beider Parteien im
US-Kongress. So hat der US-Kongress beispielsweise im Jahr 2008 ein
QME-Gesetz beschlossen, dass jeden US-Präsidenten dazu verpflichtet,
stets dafür Sorge zu tragen, dass Israel immer gut genug gerüstet ist,
um beliebige Kriege gegen beliebige Konstellationen regionaler Gegner
führen zu können, ohne dabei nennenswerte eigene Verluste zu erleiden,
etwa wie das den US-Truppen im Irak geschehen ist. Und natürlich übte
die zionistische Lobby auch dominanten Einfluss über Medien, Militär,
Hochschulen und Kirchen aus. So groß war die Macht der zionistischen
Lobby, dass es ihr gelang, ihre Macht von öffentlichen Debatten
abzuschirmen. Der Israel-Lobby war es gelungen, ihre eigene Macht zu
einem Tabuthema zu machen, und jeder, der sich nicht an das Tabu hielt,
musste mit schweren persönlichen Nachteilen rechnen, von öffentlicher
Ächtung bis zum Job- und Postenverlust. Als zwei US-Professoren vor gut
einem Jahrzehnt ein Buch über die Existenz und die Macht der
Israel-Lobby sowie ihre tragende Rolle beim desaströsen US-Angriffskrieg
gegen den Irak schrieben, fanden sie zunächst keinen Verlag, der sich
traute, das Buch zu veröffentlichen, und anschließend wurde ihr sorgsam
Fakten analysierendes Buch als spinnerte antisemitische
Verschwörungstheorie abgetan.
Nun hat sich seit dem Erscheinen des Buches einiges getan. Das Wissen
um die Existanz einer ungemein mächtigen Israel-Lobby in den USA ist
inzwischen Allgemeingut, Kirchen, Universitäten und Militär sind keine
Bastionen der Israel-Lobby mehr, sondern werden immer mehr zu Bastionen
der Gegner der Israel-Lobby, und im weißen Haus sitzt ein Präsident, der
zwar, wie gesetzlich von ihm verlangt, Israels QME sicherstellt, aber
sich trotzdem die Unverfrorenheit herausnimmt, die Befehle Israels in
wesentlichen Fragen zu ignorieren, so etwa geschehen durch die
Nicht-Bombardierung Syriens und das Verfolgen einer diplomatischen
Lösung im von Israel und der Israel-Lobby mit unzähligen Propagandalügen
mühsam herbeigeführten “Atomstreit” mit dem Iran.
Angesichts dieser Meuterei des US-Präsidenten ist es natürlich
verständlich, dass der Chef des israelischen Regimes da mal zeigen will,
wo der Hammer hängt. Und so hat Benjamin Netanjahu seinen Botschafter
in den USA angewiesen, den Chef der Republikaner im US-Kongress
anzuweisen, dass dieser ihn, Netanjahu, in den US-Kongress einlade,
damit Netanjahu da dem widerspenstigen demokratischen und schwarzen
Präsidenten öffentlich sagen kann, was er zu tun und zu lassen hat, und
ihm zeigen kann, wer wirklich das Sagen in den USA hat. Um den
US-Präsidenten dabei öffentlich zu erniedrigen, hat Netanjahu dafür
gesorgt, dass seine geplante Rede vor dem Kongress vor dem Präsidenten
geheimgehalten wurde und der Präsident von der geplanten Rede Netanjahus
aus den Medien erfuhr als sie öffentlich bekannt gegeben wurde. So
funktioniert es seit und und je. Die zionistische Lobby demonstriert
ihre Macht durch die Statuierung eines Exemples ganz oben und macht
damit jedem, der potentiell aufmüpfige Gedanken hegen könnte,
unmissverständlich klar, dass er zu kuschen hat.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Macht der Israel-Lobby in
den USA ist zwar nach wie vor riesig, aber sie ist nicht mehr so
allmächtig wie früher. Mit seiner geplanten Rede vor dem US-Kongress
scheint es der Boss der 1% beim Kampf gegen die 99% nun überzogen zu
haben. Selbst AIPAC, die Lobby der 1%, lässt öffentlich Jammer
verbreiten: hätte Bibi Netanjahu nicht seine vor US-Präsident Obama
geheimgehaltene Rede vor dem US-Kongress vorangetrieben, so hätte AIPAC
eine veto-überstimmende Mehrheit für die Sabotage der präsidentiellen
Westasien-Politik durch neue Sanktionen gegen Iran gehabt. Jetzt nicht
mehr. Damit lässt sich Netanjahus Rede vor dem US-Kongress bereits jetzt
als Eigentor bezeichnen. Ohne seine Rede, die offiziell die
Dringlichkeit der Verhinderung einer Einigung im sogenannten Atomstreit
unterstreichen soll, hätte AIPAC die sich abzeichnende Einigung zwischen
den USA und Iran durch die Verabschiedung eines Gesetzes über neue
Sanktionen gegen Iran im US-Kongress vermutlich noch torpedieren können.
Doch nach der vom ausländischen Regierungschef Netanjahu gemeinsam mit
den Republikanern betriebenen öffentlichen Erniedrigung des
US-Präsidenten scharen die Demokraten sich zunehmend um den Präsidenten
ihres Landes, der zu ihrer Partei gehört. Die Tür für die von Obama
gegen den Willen der Israel-Lobby vorangetriebene Einigung mit dem Iran
steht damit weit offen.
Außer dem Eigentor in der Sache, um die es Netanjahu angeblich ging,
nämlich der Sabotage der Einigung mit dem Iran, hat das Vorgehen von
Netanjahu der Macht der Israel-Lobby in den USA bereits jetzt
erheblichen Schaden zugefügt. Bislang war die bedingungslose
Unterstützung des zionistischen Apartheidregimes sowohl bei Demokraten
als auch bei Republikanern ein überparteilicher und nicht in Frage zu
stellender Konsens. Nun stellen sich nennenswerte Teile der Demokraten
hinter “ihren” Präsidenten – und damit gegen die Israel-Lobby. Aus dem
überparteilichen Konsens ist damit ein parteiischer Streit geworden,
durch den die Macht der Israel-Lobby zunehmend ins Licht der
Öffentlichkeit gerät und dabei kritisch hinterfragt wird. Die Rede
einfach wieder abzusagen ist für Netanjahu einerseits nicht einfach,
weil er so hoch auf die Leiter geklettert ist und die Rede zu einer
prinipiellen Frage gemacht hat, und andererseits würde das Netanjahu und
der Israel-Lobby kaum noch helfen, denn damit würden er und die Lobby
sowohl ihren Fehler eingestehen als auch ein Bild der Schwäche
vermitteln, wodurch die Einschüchterungsfähigkeit der Lobby Schaden
nehmen würde. Das Bild der Zerstrittenheit, das die Mafia gegenwärtig
abgibt, strahlt allerdings auch keine souveräne Macht aus. Und obendrein
hat Obama nun mindestens einen kräftigen Fußtritt gegen Netanjahu frei,
denn die US-amerikanische Öffentlichkeit würde, Unterstützung für
Israel hin oder her, sicher großes Verständnis dafür zeigen, wenn Obama
sich bei Netanjahu für den Versuch der Erniedrigung revanchiert.
Netanjahu hat versucht, den Vorwurf, er habe sich als ausländischer
Regierungschef selbst eingeladen, um dem US-Präsidenten und damit der
US-Bevölkerung vorzuschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben,
dadurch zu kontern, dass er gesagt hat, er repräsentiere nicht nur den
Staat Israel, sondern er spreche im Namen alle Juden weltweit, und damit
auch im Namen des jüdischen teils der US-Bevölkerung, woraus er
indirekt ein Recht ableitet, sich in die US-Politik einzumischen. Doch
damit hat Netanjahu, der bei liberalen US-Juden alles andere als beliebt
ist, sich nur noch tiefer in Suppe hineingeritten, denn prompt hat
JStreet, eine liberale jüdische US-Organisation, dagegen eine Kampagne
und Unterschriftensammlung gestartet, bei der US-Juden der Anmaßung von
Netanjahu widersprechen, dass nicht der US-Präsident, sondern Netanjahu
sie als Bürger der USA vertritt.
Die ansonsten so allmächtig wirkende Israel-Lobby weiß nicht, wie sie
dieses Problems Herr werden soll und das Vertrauen in den Beziehungen
zwischen den USA und Israel ist schwer gestört. Geleitet vom fehlenden
Vertrauen hat AIPAC nun sogar ein Gesetz in den US-Kongress einbringen
lassen, mit dem die AIPAC-Lakaien im US-Kongress Barack Obama gesetzlich
dazu verpflichten wollen, beim möglichen Abschluss des
US-amerikanisch-europäischen Handelsabkommen dafür zu sorgen, dass der
Boykott von Israel – etwa im Rahmen der BDS-Kampagne – auf beiden Seiten
des Atlantiks kriminalisiert wird. Wird BDS in Europa nicht
kriminalisiert, so sieht es der von AIPAC vorangetriebene Gesetzentwurf
im US-Kongress vor, darf es kein TTIP geben. Israel und AIPAC befürchten
offenbar, dass Obama sich an Netanjahu rächt, indem er dafür sorgt,
dass nur der Boykott von EU und USA untereinander verboten wird, der
Boykott von Israel hingegen nicht, wodurch der Israel-Lobby ihr
Machtinstrument genommen wäre, einen Boykott von Israel in der EU mit
einer Boykottkampagne gegen die EU in den USA zu kontern, was einer
Stärkung von BDS durch TTIP gleichkäme. AIPAC pokert dabei jedoch hoch.
Sollte TTIP an eben jenem von AIPAC vorgetriebenen US-Gesetzentwurf
gänzlich scheitern, so würde das vermutlich dazu führen, dass die EU
wirtschaftlich stückchenweise immer näher an China heranrückt, wodurch
der Einfluss der Israel-Lobby in den USA auf die EU-Staaten vermutlich
sinken würde.
Der Schaden für Israel durch Netanjahus zu hohes Pokern ist also
immens und die Israel-Lobby steckt aufgrund der von Netanjahu schwer
beschädigten Beziehung zwischen den USA und Israel bereits jetzt in
massiven Schwierigkeiten. Und bis zur gelpanten Rede von Netanjau vor
dem US-Kongress am 3. März sind es noch ein paar Tage hin. Die
Schwierigkeiten der Mafia können bis dahin noch deutlich größer werden,
und es ist auch nicht abzusehen, dass die Schwierigkeiten der Lobby nach
dem 3. März beendet sein werden. Im Gegenteil, da könnte es erst
richtig losgehen, dass die Lobby bei allen Schandtaten, die sie begeht,
immer wieder auf’s Neue ins Fadenkreuz der Öffentlichkeit kommt.
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