Dienstag, 24. Mai 2011

Strauss-Kahn kämpft mit allen Mitteln

Wahrscheinlich wird jede Person, die damit rechnen muss, vor Gericht gestellt zu werden, alles unternehmen, um sich zu verteidigen. Doch ob es im Fall von Dominique Strauss-Kahn wirklich so schlau ist, weiter auf die Strategie "älterer Mann darf alles und ist so einflussreich, ihm liegen die Frauen zu Füßen" zu setzen? 


Die Abgehobenheit des Ex-IWF-Chefs und seiner Freunde hat über die Beschuldigungen hinaus für Unmut gesorgt, meint sein wohlwollendes Umfeld doch, dass einer wie er es doch überhaupt nicht nötig hätte, "ein Zimmermädchen" zu überfallen.

Nun wurde bekannt, dass auf der Uniform der jungen Frau und auf dem Teppichboden Spermaspuren festgestellt wurden. Die 32jährige sagte aus, er habe sie zu Oralsex gezwungen, sie konnte sich dann befreien und um Hilfe rufen. Manche Männer bezweifeln übrigens immer noch, dass Oralsex gegen den Willen einer Frau Vergewaltigung sei. Solche Typen werden ohnehin nie etwas begreifen, es sei nur erwähnt, dass derartige Ansichten tatsächlich noch geäußert werden. Strauss-Kahn bleibt bei seiner Großkotz-Taktik, wie der "Kurier" schreibt: "Star-Advokat Benjamin Brafman, der für seine Brillanz ebenso bekannt ist wie für seine Rücksichtslosigkeit, wird mit allen Mitteln versuchen, die Glaubwürdigkeit der 32-Jährigen zu erschüttern. 
Das Vorleben der Frau, die vor wenigen Jahren aus Guinea, Westafrika, in die USA gekommen war, wird gnadenlos durchleuchtet. Sollte es Ungereimtheiten oder falsche Angaben im Zuge der Erlangung der Aufenthaltsgenehmigung oder der Sozialwohnung gegeben haben, würde Brafman die Zeugin genüsslich als Lügnerin vorführen."

Der Anwalt ist im Alter von Strauss-Kahn und bringt offenbar vollstes Verständnis für seinen armen Mandaten auf: "Er ist der Mann für scheinbar aussichtslose Fälle: Der New Yorker Star-Anwalt Benjamin Brafman, der Strauss-Kahn verteidigt. Aufgeben? Gibt's nicht für den 62-Jährigen, der nur 1,62 m groß ist. 'Die Schlacht (im Fall Strauss-Kahn) hat gerade erst begonnen', sagte Brafman, dessen Eltern österreichische Holocaust-Überlebende waren. Widersacher nennen den Juristen hinterhältig, zynisch, vor nichts zurückschreckend, der Zeugen gnadenlos zerpflückt. Bewunderer sehen in ihm den besten Anwalt, mit messerscharfem Verstand, Witz und Selbstironie." Er und Strauss-Kahn werden von einvernehmlichem Sex sprechen, was angesichts weiterer Zeugen nicht sehr glaubwürdig klingt: "Denn mittlerweile haben sich zwei weitere Mitarbeiterinnen des Sofitel gemeldet, denen Strauss-Kahn ebenfalls Avancen gemacht haben soll. Gleich nach dem Einchecken hat er laut CNN mit einer Angestellten, die den 62-Jährigen in seine Suite begleitete, geflirtet und sie gefragt, ob sie nicht auf ein Glas Champagner bleiben wolle. Später habe der ehemalige französische Wirtschaftsminister (1997-1999) in der Lobby angerufen und die Rezeptionistin gefragt, ob sie ihm nach Dienstschluss nicht Gesellschaft leisten wolle. Beide Frauen hätten abgelehnt - privater Umgang mit VIP-Gästen sei verboten."

Das Opfer hat laut "Fox News", einem nicht gerade untendenziösen Sender, der aber mit dem Rechtsbeistand der Frau Kontakt hat, mehrmals geschrien: "Bitte hören Sie auf. Ich brauche meinen Job. Machen Sie das nicht. Ich werde meinen Job verlieren." Strauss-Kahn nahm dies nicht ernst: "Nein, Baby, mach dir keine Sorgen." Hier drängt sich wohl auf, was Nils Minkmar in der FAZ schrieb: "Nur in einem kalifornischen Pornofilm fallen der stämmige, 62-jährige Hotelgast und eine halb so alte, alleinerziehende Mutter, die noch eine Riesensuite sauber zu machen hat, in spontaner Gier übereinander her. Doch nicht mal im Film ist dann noch genügend Zeit, sich derart zu entzweien, dass die Frau nach der Polizei rufen lässt, denn es waren nur 28 oder 29 gemeinsame Minuten." Oder in der Vorstellungswelt von Strauss-Kahn, seinen Freunden und einiger anderer Männer, denn ein Mann, der angeblich "jede Frau haben kann", muss sich doch nicht "an einem Zimmermädchen vergreifen" (wie jemand auf Facebook postete).

Der Trugschluss, dass jede Frau käuflich ist, dass Frauen keine Würde, keine Integrität, auch keinen Arbeitsethos haben, verleitet Strauss-Kahns Freunde zu einer Aktion, die gerade in Amerika wohl besonders übel aufgenommen wird: "Freunde von Dominique Strauss-Kahn versuchen das New Yorker Zimmermädchen nach Angaben einer US-Zeitung angeblich durch Bestechung zum Schweigen zu bringen. Die 'New York Post' berichtete am Dienstag 'exklusiv', dass Freunde des zurückgetretenen IWF-Chefs heimlich an die Familie der Frau im westafrikanischen Guinea herangetreten seien und eine größere Geldsumme für ihr Schweigen geboten hätten. Nach diesen Infomationen soll eine siebenstellige Summe im Gespräch sein. Die Zeitung bezieht sich auf Aussagen aus dem Freundeskreis des Ex-Chefs des Internationalen Währungsfonds in Paris."

Die Vereinigten Staaten sind nicht nur ein Einwanderungsland, sie verfügen auch über die starke Frauenbewegung, die länger historisch gewachsen ist als in Europa. Und sie war immer auch eine politische Bewegung, die weit über die Mittelschicht hinausging. Es gab etwa im 19. Jahrhundert viele Gruppen, die sich für Frauenrechte und Volksgesundheit einsetzten. Beide Bereiche waren so sehr miteinander verschränkt, da vor allem Frauen als ÄrztInnen aus dem Volk fungierten, dass man die Bewegungen oft nicht auseinanderhalten kann. Die hochmütigen Gesten "dir werden wir es schon zeigen, wer bist denn du, eine Witwe und Alleinerzieherin aus Afrika" erinnern an das Scheitern von Jack Wolfskin an einer Frau, die Pfotenabdrücke auf T-Shirts druckte. Ohne Internet und Social Media hätte der Konzern diese Frau wohl ruiniert, so aber wurde Goliath gegen David zu einem ernormen Imageschaden. Oder die Szene in "Die Teufelin": ein arroganter skrupelloser Großkotz gerät nicht an den Golfkumpel seines besten Freundes als Richter, sondern an eine schwarze Richterin. Ein Blick in ihre Augen, und er weiss, dass er verloren hat.
Strauss-Kahn und andere selbsternannte Eliten, die meinen, sie könnten sich alles richten, verkennen die Motive anderer Menschen. Es gibt viele Frauen, die gerade auch in Berufen mit relativ wenig Sozialprestige und Einkommen auch mit Übergriffen und Belästigung zu kämpfen haben. Die meisten nehmen aber lieber noch mehr Nachteile in Kauf, als ihren Stolz verletzen zu lassen durch Schweigegelder und Vergünstigungen. Für diese Altherrenriege ist es wohl unvorstellbar, dass Menschen von so geringer "Macht" (wie junge Frauen aus Afrika mit Jobs wie "Zimmermädchen") im Gegensatz zu ihnen selbst Integrität und Würde haben. Und dies kann ihnen niemand rauben, egal mit welchem "Staranwalt" und mit wie dicken Geldbündeln auch immer die "Freunde" vor den armen Verwandten wedeln.

Neben dem Mythos von den ach so tollen Männern, die "jede haben können, es daher nicht nötig haben" ist noch etwas ganz und gar falsch: Frauen beschuldigen Männer kaum einmal zu Unrecht, im Gegenteil, alle derartigen Delikte weisen eine hohe Dunkelziffer auf. Es kann passieren, dass das Gericht den Frauen durchaus glaubt, den Männern jedoch nicht, und "im Zweifel" freispricht. Vielfach wird Frauen am Arbeitsplatz klargemacht, dass sie Übergriffe stillschweigend übergehen sollen, beispielsweise eben in Hotels. Sich wehren gegen sexuelle Belästigung geht meistens so aus, dass der Täter (wenn er ein Arbeitskollege oder Chef ist) im Betrieb bleibt, ihm nichts passiert, die Frau aber den Job verliert oder es nicht mehr aushält. Vergewaltigungsopfer wiederum verlieren oft als Folge der Traumatisierung zuerst die Arbeit und dann die Wohnung - Opferhilfe scheint sich zu sehr auf Opferstatus und Aussagen, nicht aber auf Empowerment im Sinne von "du bist doch eine tolle Frau, du bist viel mehr als damals in einer Situation ein Opfer" zu konzentrieren.

Quelle:

Alexandra Bader

alexandra@ceiberweiber.at

www.ceiberweiber.at

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