Mittwoch, 6. April 2011

Der Libyen-Deal zwischen USA und Saudi-Arabien

Pres. Obama und König Abdullah
Pepe Escobar lässt Revue passieren, wie es zur Zustimmung der Arabischen Liga zur libyschen Flugverbotszone kam. “Enthüllt ist die Heuchelei der Barack Obama-Administration, die einen krassen geopolitischen Coup als humanitäre Operation verkauft.“ Ferner befasst sich Escobar mit der Frage, worauf das bisherige militärische Patt in Libyen hinausläuft.


Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste” genannt wird, arbeitet für die Asia Times und ist ein Analyst von The Real News. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.


Er hat von verschiedenen Ländern und Konflikten berichtet, darunter Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, Zentralasien, U.S.A. und China. Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.

DAS WANDERNDE AUGE

Der Libyen-Deal der USA und Saudi-Arabien

Am Anfang gab es den großen arabischen Aufstand 2011. Dann kam die unaufhaltsame Konterrevolution der Vereinigten Staaten von Amerika und Saudi-Arabien in einem Geschäft, bei dem die USA grünes Licht für die Invasion von Saudi-Arabien in Bahrain gaben. Im Gegenzug sicherte die Arabische Liga ihre Unterstützung für die libysche Flugverbotszone zu. Enthüllt ist die Heuchelei der Barack Obama-Administration, die einen krassen geopolitischen Coup als humanitäre Operation verkauft.

Ihr dringt in Bahrain ein. Wir nehmen Muammar Gaddafi in Libyen aus dem Verkehr. Dies, kurz gesagt, ist das Wesen des Handels, der zwischen der Barack Obama-Administration und dem Haus Saud getroffen wurde. Zwei diplomatische Quellen bei den Vereinten Nationen haben unabhängig voneinander bestätigt, dass Washington über US-Außenministerin Hillary Clinton grünes Licht für Saudi-Arabiens Invasion in Bahrain gab, um die Pro-Demokratie-Bewegung im Nachbarstaat zu vernichten – im Austausch für ein “Ja” der Arabischen Liga für eine Flugverbotszone über Libyen, dem wichtigsten Grund, der zur Resolution 1973 der Vereinten Nationen führte.

Die Enthüllung kam von zwei verschiedenen Diplomaten, einem europäischen und einem Mitglied der BRIC-Gruppe, und wurde separat zueinander gegenüber einem Gelehrten in den USA und der Asia Times Online gemacht. Nach diplomatischem Protokoll können ihre Namen nicht bekannt gegeben werden. Einer der Diplomaten sagte:
“Dies ist der Grund, warum wir die Resolution 1973 nicht unterstützen konnten. Wir argumentierten, dass Libyen, Bahrain und Jemen ähnliche Fälle waren, und forderten eine Tatsachen-Findungsmission. Wir bleiben bei unserem offiziellen Standpunkt, dass die Resolution nicht klar ist, und dass sie in einer kriegführenden Weise interpretiert werden kann.”
Wie Asia Times Online berichtete, ist eine Billigung der gesamten Arabischen Liga für eine Flugverbotszone ein Mythos. Von den 22 Vollmitgliedern waren nur 11 anwesend bei der Abstimmung. Sechs von ihnen waren Mitglieder des Gulf Cooperation Council (GCC), dem von den USA unterstützten Club von Königreichen / Scheichtümern des Golfs, von denen Saudi-Arabien wiederum der Platzhirsch ist. Syrien und Algerien waren dagegen. Saudi-Arabien hatte nur drei weitere Mitglieder zu “verführen”, um die Zustimmung zu erhalten.
Übersetzung: nur neun von 22 Mitgliedern der Arabischen Liga stimmten für die Flugverbotszone. Die Abstimmung war im Wesentlichen eine vom Haus Saud geführte Operation, mit der sich der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, bemühte, seinen Lebenslauf für Washington zu polieren, um der nächste ägyptische Präsident zu werden.

Demnach war am Anfang der große arabische Aufstand 2011. Dann kam unerbittlich die US-Saudi-Konterrevolution.

Die Profiteure jubeln

Die humanitären Imperialisten werden en masse Spin einsetzen, dass dies eine “Verschwörung” ist, so wie sie Spin einsetzten, dass die Bombardierung Libyens ein hypothetisches Massaker in Bengasi verhinderte. Sie werden das Haus Saud verteidigen – sagend, es handelte, um die iranische Subversion im Golf zu zerschlagen; offensichtlich trifft R2P – “Responsibility to Protect”/”Verantwortung zum Schutz” – nicht auf die Menschen in Bahrain zu. Sie werden ein Post-Gaddafi-Libyen als ein neues – öliges – Menschenrechte-Mekka anpreisen, komplett mit US-Geheimdienst-Statthaltern, Black-Ops, Spezialeinheiten und zwielichtigen Vertragsnehmern.

Was immer sie sagen werden, es wird nichts an den Fakten am Boden ändern – die eindeutigen Ergebnisse des Dirty Dancing der USA und Saudi-Arabiens. Asia Times Online hat bereits darüber berichtet, wer von der ausländischen Intervention in Libyen profitiert (1). Zu den Akteuren gehören das Pentagon (via Africom), die North Atlantic Treaty Organization (NATO), Saudi-Arabien, Moussa von der Arabischen Liga und Katar. Hinzufügen ist der Liste die al-Khalifa-Dynastie in Bahrain, verschiedene Waffenproduzenten sowie die üblichen neoliberalen Verdächtigen, die gerne alles im neuen Libyen privatisieren möchten, soweit der Blick reicht – auch das Wasser. Und wir reden noch nicht einmal über die Geier des Westens, die über der libyschen Öl- und Gasindustrie schweben.

Enthüllt ist vor allem aber die erstaunliche Heuchelei der Obama-Regierung, die einen krassen geopolitischen Coup, der Nordafrika und den Persischen Golf beinhaltet, als eine humanitäre Operation verkauft. Was die Tatsache eines weiteren US-Kriegs gegen eine muslimische Nation angeht, so ist dies nur eine “kinetische Militär-Aktion”.
Es gibt große Spekulationen sowohl in den USA als auch im gesamten Nahen Osten, dass sich Washington, London und Paris angesichts des militärischen Patts womöglich für die Kontrolle des östlichen Libyens entscheiden; eine Nordafrika-Version eines ölreichen Golf-Emirats. Gaddafi würde ein hungerndes Tripolitanien im Nordkorea-Stil überlassen werden.

Aber in Anbetracht der neuesten hoch bewerteten Überläufer des Regimes plus des gewünschten Endspiels (“Gaddafi muss gehen”, in Präsident Obamas eigenen Worten), dürften sich Washington, London, Paris und Riad für nichts weniger als den ganzen Kebab entscheiden. Einschließlich einer strategische Basis für Africom und der NATO.
Die unüblichen Verdächtigen
Eine der Nebenwirkungen des schmutzigen US-Saudi-Handels ist, dass das Weiße Haus alles tut, um sicherzustellen, dass das Bahrain-Drama von den US-Medien begraben wird. Die Nachrichtensprecherin von BBC America, Katty Kay, hatte wenigstens den Anstand zu betonen:
“Sie möchten, dass dies [Bahrain] vorbeigeht, weil es nichts Wirkliches für sie durch die Unterstützung der Rebellion der Schiiten zu erreichen gibt.”
Für seinen Teil zeigte sich der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Khalifa al Thani, auf al-Jazeera und sagte, dass Maßnahmen erforderlich wären, weil die libyschen Menschen von Gaddafi angegriffen wurden. Die sonst hervorragenden al-Jazeera-Journalisten hätten den Emir höflich fragen können, ob er seine Mirages entsenden würde, um die Menschen in Palästina vor Israel oder seine Nachbarn in Bahrain vor Saudi-Arabien zu schützen.
Die al-Khalifa-Dynastie in Bahrain ist im Wesentlichen ein Haufen von sunnitischen Siedlern, der vor über 230 Jahren die Macht an sich nahm. Für einen Großteil des 20. Jahrhunderts waren sie gehorchende Sklaven des britischen Empire. Das moderne Bahrain lebt nicht mit dem Gespenst eines iranischen Schubs, das ist ein Mythos der al-Khalifa (und des Hauses Saud).

Die Bahrainer haben es historisch gesehen immer abgelehnt, Teil einer Art von schiitischer Nation zu sein, die vom Iran geführt wird. Die Proteste haben einen langen Weg zurückgelegt und sind Teil einer echten nationalen Bewegung – weit jenseits von Sektierertum. Kein Wunder, dass der Slogan der Demonstranten – die durch den verängstigten al-Khalifa-Polizeistaat zerschlagen wurden – hieß: “Weder Sunniten noch Schiiten, sondern Bahrainer.”
Was die Demonstranten wollten, war im Wesentlichen eine konstitutionelle Monarchie, ein legitimes Parlament, freie und faire Wahlen sowie keine Korruption mehr. Was sie stattdessen bekamen, war ein “Kugel-freundliches Bahrain”, dass das “Geschäfts-freundliche Bahrain” ersetzte, und eine Invasion, die vom Haus Saud gesponsert wurde.

Und die Repression geht weiter – unsichtbar für US-Medienunternehmen. Tweeter-Benutzer schreien, dass sie und ihre Nachbarn verhaftet werden. Laut Nabeel Rajab, Präsident des Bahrain-Zentrums für Menschenrechte, sind über 400 Menschen entweder vermisst oder in Haft, einige von ihnen wurden “an den Checkpoints, die von den Schlägern kontrolliert werden, die aus anderen arabischen und asiatischen Ländern hereingebracht worden sind, verhaftet – sie tragen schwarze Masken in den Straßen.” Auch der Blogger Mahmood Al Yousif ist verhaftet worden, was zu Befürchtungen führte, dass dies auch jedem anderen Bahrainer passieren wird, der gebloggt, getweeted oder Facebook-Nachrichten zugunsten von Reformen geschrieben hat.
Globocop ist unterwegs
Odyssey Dawn ist nun vorbei. Es tritt jetzt der vereinte Beschützer auf – geführt vom kanadischen Charles Bouchard. Übersetzung: Das Pentagon (= Africom) überträgt die “kinetische Militär-Aktion” an sich selbst (= NATO, die nichts anderes ist als die Pentagon-Herrschaft über Europa). Africom und NATO sind jetzt eins.

Die NATO-Show wird Luft- und Marschflugkörper-Angriffe, eine Seeblockade Libyens, und dunkle, nicht näher bezeichnete Bodenoperationen beinhalten, um den “Rebellen” zu helfen. Harte Kampfhubschrauber-Angriffe wie in Afghanistan-Pakistan – zuzüglich von “Kollateralschäden” – sind zu erwarten.

Eine merkwürdige Entwicklung ist bereits sichtbar. Die NATO erlaubt es Gaddafis Kräften absichtlich entlang der Mittelmeerküste vorzustoßen und die “Rebellen” zurückzudrängen. Es hat seit einer ganzen Weile keine chirurgischen Luftschläge mehr gegeben.
Das Ziel ist möglicherweise, politische und wirtschaftliche Zugeständnisse der Überläufer und des libyschen Exil-verseuchten Interim National Council (INC) zu bekommen – ein Ensemble solcher Charaktere wie dem ehemaligen Justizminister Mustafa Abdel Jalil, dem in den USA ausgebildeten Mahmoud Jibril, und dem ehemaligen Bewohner von Virginia, jetzigen neuen “Feldherren” und CIA-Asset Khalifa Hifter. Die lobenswerte, einheimische Jugendbewegung des 17. Februar – die an der Spitze des Bengasi-Aufstands stand – wurde komplett an die Seitenlinie gedrängt.

Dies ist der erste afrikanische Krieg der NATO, so wie Afghanistan der erste Krieg der NATO in Zentral- / Süd-Asien ist. Inzwischen als der bewaffnete Arm der UN förmlich bestätigt worden, ist der Globocop NATO dabei, sein “strategischen Konzept”, das auf dem Gipfel von Lissabon im vergangenen November genehmigt wurde, (siehe: Welcome to NATOstan, Asia Times Online, 20. November 2010) umzusetzen.

Gaddafis Libyen muss ausgeschaltet werden, so dass das Mittelmeer – das Mare Nostrum des antiken Roms – zu einem NATO-See wird. Libyen ist das einzige Land in Nordafrika, das nicht Africom oder Centcom oder einem der unzähligen NATO-”Partnerschaften” untergeordnet ist. Die anderen Nicht-NATO-bezogenen afrikanischen Staaten sind Eritrea, Sudan und Simbabwe.

Außerdem kämpfen zwei Mitglieder der “Istanbul Cooperation Initiative” der NATO – ​​Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate – nunmehr neben Africom / NATO zum ersten Mal probehalber. Übersetzung: die NATO und Partner am Persischen Golf führen einen Krieg in Afrika. Europa? Das ist zu provinziell. Globocop ist der Weg, den es zu gehen gilt.
Der offiziellen Doppelzüngigkeit der Obama-Regierung zufolge, können Diktatoren, die für ”US-Kontaktaufnahme” geeignet sind – wie die in Bahrain und Jemen -, sich entspannen und praktisch mit allem durchkommen. Was jene betrifft, die von Afrika über den Nahen Osten bis nach Asien für “Regime-Veränderung” geeignet sind, aufpassen: Der Globocop NATO kommt, um Euch zu holen. Mit oder ohne schmutzigen Geschäften.

Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall
(1) siehe Pepe Escobar: “DAS WANDERNDE AUGE – There’s no business like war business“, veröffentlicht auf LarsSchall.com am 31. März 2011 unter: http://www.larsschall.com/2011/03/31/das-wandernde-auge-theres-no-business-like-war-business/

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