Samstag, 5. November 2011

Referendum: Griechischer Volkswille und EUrokratischer Unwille

Von der Wiege der Demokratie zum Grab der EUdSSR

Wie heißt es doch gleich im Vertrag von Lissabon? „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte…“. Und: Zu den Zielen der Union gehören der freie und unverfälschte Wettbewerb, Preisstabilität und kulturelle Vielfalt.
Mitten in diesen freien und unverfälschten Wettbewerb der griechischen Euro-Währung mit allen anderen Euro-Währungen, mitten in die Stabilität der Dauerverschuldungsexzesse und die kulturelle Vielfalt des einander Zurkassebittens erfrecht sich nun der griechische Ministerpräsident, einfach sein eigenes Volk darüber abstimmen zu lassen, was es denn zu alledem selbst meine und denke. Papandreou plant ein Referendum, mithin das giftigste, was es in der jüngeren Geschichte der EU überhaupt gibt. Denn in schöner Regelmäßigkeit hatten alle befragten Völker ihren EU-trunkenen Führern bekanntermaßen in Referenden widersprochen, wenn es denen darum ging, ihren europapolitischen Kurs abzusichern. Aber – wen schert in der EU schon der demokratische Wille der Völker, wenn es darum geht, mit souveränem Brüsseler Führungsanspruch den Weg in das künftige Heil zu weisen?

In der Vergangenheit hat man die Völker entweder so lange abstimmen lassen, bis das Ergebnis endlich passte, oder man hat die Antwort auf die Befragung schlicht ignoriert und übergangen. Jetzt werden die Griechen gefragt, ob sie weiter „kaputtgespart“ werden möchten. Und die Antwort auf diese Frage dürfte durchaus absehbar sein, selbst wenn man sie zwei- und drei- und tausendfach stellt. Folgerichtig sind nun alle Brüsseler Demokraten in helle Aufregung versetzt. Die maßgebliche Frage heißt: Was tun?

Soll die EU die Mitgliedschaft Griechenlands außerordentlich kündigen, weil man dort plötzlich ein demokratisches Referendum plant? Sind Referenden nicht insgesamt für sich gesehen schon EU-widrig? Bestimmt sind sie das – geradezu schon gewohnheitsrechtlich – aber, leider: offen sagen darf man das nicht.

Also muss die EU Griechenland als Mitgliedstaat weiterhin dulden. Nur: Wie geht man mit dieser Situation um? Nachdem Michael Sommer kürzlich amerikanische Ratingagenturen mit Cruise Missiles verglichen hatte, läge vielleicht nahe, ein angekündigtes griechisches Referendum ebenfalls militärisch zu interpretieren. Mit anderen Worten: Ist die Volksbefragung am Ende ein kriegerischer Akt? Muss das Drucken von Stimmzetteln den NATO-Verteidigungsfall auslösen? Brauchen wir den EU-Staatskommissar für Athen schneller als gedacht? Mit Interventionsbefugnissen für schnelle Eingreiftruppen? Raus aus Afghanistan, rein nach Griechenland, den Euro retten? Denn die Preisstabilität Deutschlands wird auch an der Akropolis verteidigt?

Aufmerksame Beobachter stellen zunehmend fest, dass alle europäischen Staats- und Regierungs-Chefs inzwischen dermaßen intensiv mit ihren permanenten internationalen Krisenkonferenzen gebunden sind, dass zum Regieren zu Hause praktisch keine Zeit mehr bleibt. Im Kanzleramt werde daher angeblich schon darüber nachgedacht, das Amt eines Zweitkanzlers einzuführen.

Eine besonders perfide Dimension dieser neuesten Entwicklung liegt in der jüngsten Griechenland-Rettungs-Rhetorik selbst: Man müsse, hieß es immer wieder, die Griechen nicht zuletzt deswegen retten, weil in ihrem Land schließlich die Wiege unserer Demokratie stehe! Jetzt könnte genau dieser griechische Volkswille dem undemokratischen Treiben der EU-Oberen ein Ende setzen. Griechenland bliebe die Wiege der Demokratie und würde zugleich zum Grab der EUdSSR.

Jede Wette: Der nächste EU-Krisengipfel nimmt Kurs Richtung Westerwelle. Denn der erklärt im Hinblick auf den Mitgliederentscheid seiner Partei vermehrt, egal wie die Parteibasis entscheide, die Abgeordneten hätten das freie Mandat, auch gegen die eigenen Wähler Gesetze zu machen. Beobachten wir also weiter, wie die EU Politik gegen ihre eigenen Völker macht. Denn zuletzt gilt die weise Erkenntnis Hans Magnus Enzensbergers: „Europa hat schon ganz andere Versuche überstanden, den Kontinent zu uniformieren.“



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