Das Weltwirtschaftsforum ist ein Volksfest im Vergleich zur Bilderberg-Konferenz. Dort sind die Teilnehmer handverlesen, die Debatten streng vertraulich.
Es war gut gemeint. Nach mehr als einem halben Jahrhundert gönnte sich die Bilderberg-Gruppe 2010 erstmals eine Prise Transparenz: Es gibt jetzt eine Internetsite mit groben Details, Teilnehmerlisten und Themen ihres jährlichen Geheimtreffens.
Wer Nass zuhört, bekommt den Eindruck, da finde einmal im Jahr eine regelrechte Diskussionsorgie statt. Praktisch ununterbrochen werde debattiert. Zeit genug haben die Bilderberger: Sie müssen sich verpflichten, von Donnerstag bis Sonntagmittag vor Ort zu sein. 2011 tagen sie in der Schweiz - wo genau, ist natürlich noch geheim.
Für
die Gegner dieser einzigartigen Runde allerdings ist das vor allem ein
Motivationsschub. Einer, der 2010 auf der Teilnehmerliste stand und
deswegen zur Zielscheibe wurde, berichtet von wilden
Verschwörungstheorien in Hunderten E-Mails: Vom Beschluss zum Einmarsch
in den Irak bis zur Gründung der EU wird dem Zirkel praktisch alles
zugetraut. Der Teilnehmer will anonym bleiben, weil eigentlich alles in
der Bilderberg-Gruppe geheim ist. Und privat.
Europas Chefnotenbanker Jean-Claude Trichet |
Gegen die
Bilderberg-Konferenz ist Davos ein Volksfest. Nur 120 der
einflussreichsten Männer und Frauen aus den USA und Europa treffen sich
seit 1954 einmal im Jahr, etwa ein Drittel aus der Neuen Welt, zwei
Drittel aus der Alten. "Das ist die Crème von Davos", sagt ein
regelmäßiger Teilnehmer. Europas Chefnotenbanker Jean-Claude Trichet etwa ist ständiger Gast, sein US-Counterpart Ben Bernanke ebenfalls häufig zugegen. Gegründet
wurde die Konferenz von Prinz Bernhard der Niederlande im Hotel de
Bilderberg nahe Arnheim. Der Adelige hatte den Eindruck, der
Antiamerikanismus in Europa wachse, er müsse etwas zur Verständigung
tun. Weitere Ziele hegt die Runde offiziell immer noch nicht - was
angesichts ihres Soziogramms und der berufsmäßigen Entscheidungsfreude
ihrer Teilnehmer tatsächlich etwas unglaubwürdig klingt. Auch
die Konsequenz, mit der sich die Runde abschottet, erregt das
Misstrauen ihrer Gegner, die sich in zahlreichen Internetforen
echauffieren. Beim vergangenen Treffen im Badeort Sitges nahe Barcelona
etwa war der Tagungsort, das Luxushotel Dolce Sitges, in einem Radius
von mehr als einem Kilometer von grimmig dreinblickenden Polizisten
abgesperrt.
Die "Mutter" der Bilderberger, Königin Beatrix der Niederlande. |
Matthias Nass, lange Vizechefredakteur der "Zeit" und inzwischen deren internationaler Korrespondent, ist zusammen mit Deutsche-Bank -Boss Josef Ackermann
und Airbus-Chef Thomas Enders für die deutschen Teilnehmer
verantwortlich. Sie sitzen im 36-köpfigen Steering-Committee und
entscheiden, welcher Deutsche eine Einladung bekommt. 2010 waren das
SPD-Vize Olaf Scholz, Daimler -Chef Dieter Zetsche und Siemens -Vormann Peter Löscher .
Natürlich
hält sich auch Nass, der einzige Journalist in dem Gremium, an das
Schweigegelübde. Aber weil ihn die Allmachtsfantasien aufregen, erzählt
er doch ein bisschen. "Diese ganzen Verschwörungstheorien sind absoluter
Nonsens. Bilderberg hat keine Agenda", sagt er. Nass glaubt, dass die
Geheimniskrämerei die Existenzgarantie der Bilderberg-Konferenz ist.
"Durch den privaten Charakter ist es allen möglich, frei zu sprechen."
So berichten Teilnehmer etwa von einem erbitterten Streit zwischen
Amerikanern und Franzosen 2003 über den Einmarsch im Irak. Weil die
Hotels jeweils exklusiv für die Teilnehmer reserviert sind und es keine
Protokolle gibt, hat auch Wikileaks keine Chance.
Quelle: ftd.de
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